Vor einem New Yorker Gericht versammelten sich am 27. August 2019 mutmaßliche Opfer des kurz zuvor verstorbenen Jeffrey Epstein. Eine von ihnen, Virginia Giuffre (rechts im Bild), klagt Prinz Andrew.

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Paukenschlag zum Jahrestag: Zwei Jahre nach dem Tod des Sexualstraftäters Jeffrey Epstein in einer New Yorker Gefängniszelle hat eines seiner prominentesten Opfer Zivilklage gegen Epsteins Freund Prinz Andrew eingereicht. "Ich ziehe Prinz Andrew für seine Taten zur Rechenschaft", teilte Virginia Giuffre mit. "Für die Reichen und Mächtigen gibt es keine Ausnahme." Der Neunte der britischen Thronfolge soll die damals 17-Jährige vor zwanzig Jahren sexuell missbraucht haben.

Dem Lieblingssohn von Königin Elisabeth II. hängen die Vorgänge seit mehr als einem Jahrzehnt nach. Damals hatte ihn seine Ex-Flamme, Ghislaine Maxwell, ihrem damaligen Lover, dem Finanzjongleur Jeffrey Epstein, vorgestellt. Dieser versammelte mit Vorliebe Prominente in seinem Umkreis, darunter auch die Ex-Präsidenten Bill Clinton und Donald Trump, und umgarnte sie mit Gastfreundschaft auf seinen diversen Anwesen.

Dass dort junge Mädchen und Frauen ein und aus gingen, will der Prinz nie bemerkt haben. Die Zeugenaussagen der Betroffenen sprechen eine andere Sprache: Dutzende wurden den Ermittlungen der Polizei zufolge zum Geschlechtsverkehr gezwungen und zu "Sexsklavinnen" abgerichtet. Der deshalb bereits 2008 zu einer kurzfristigen Freiheitsstrafe verurteilte Epstein wurde 2019 erneut verhaftet und starb kurz darauf, am 10. August, 66-jährig in einer Gefängniszelle. Das Todesermittlungsverfahren sprach von Selbstmord, die Umstände blieben dubios, in jedem Fall für die Gefängnisbehörden peinlich.

Die Rolle von Maxwell

Vielleicht ist dies der Grund, warum Ghislaine Maxwell in ihrer eigenen, mittlerweile 13 Monate dauernden Untersuchungshaft lückenlos überwacht wird. Der jüngsten Tochter des legendären Medienzaren Robert Maxwell wirft die New Yorker Staatsanwältin die systematische Abrichtung junger Frauen, "Verführung Minderjähriger" sowie Meineid vor. Maxwell spielt auch in den angeblichen Kontakten zwischen Giuffre und dem Prinzen eine entscheidende Rolle. Denn das Mädchen gab eigenen Angaben zufolge mehrmals Maxwells Drängen nach und hatte mit dem "stark schwitzenden" Prinzen, damals 41, Geschlechtsverkehr.

Sowohl Andrew selbst als auch Maxwell haben dies stets bestritten. In einem katastrophalen BBC-Interview beteuerte der Herzog von York 2019, er habe "keinerlei Erinnerung an ein Treffen mit dieser Lady". Ein Foto, das die beiden gemeinsam zeigt, bezeichnete er als Fälschung. Thronfolger Charles ordnete den Rückzug von allen öffentlichen Funktionen an.

Giuffres Anwälte haben ihre Klage auf der Grundlage eines erst 2019 erlassenen Gesetzes zum Opferschutz von Kindern und Jugendlichen formuliert. Ziel dürfte eine Geldzahlung sein, wie sie die 38-jährige Mutter von drei Kindern schon von Maxwell sowie aus Epsteins Nachlass erhalten hat. In der BBC bat sie vor anderthalb Jahren um Hilfe: "Dies ist keine Schmuddelsex-Geschichte; es geht um Menschenhandel und Missbrauch." (Sebastian Borger aus London, 10.8.2021)