Roland Weißmann ist der nächste Generaldirektor des ORF ab 2022. Der Wunschkandidat der ÖVP, bisher Vizefinanzdirektor des ORF, wurde mit den Stimmen der türkisen Mehrheit, der Grünen, von Unabhängigen und des freiheitlichen Vorsitzenden des Stiftungsrats bestellt.

Die Medienpolitik der ÖVP unter Sebastian Kurz prägt der Wunsch nach Kontrolle, Message-Control ist das Stichwort.
Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Von Mut, Verantwortung, Transparenz steht viel in Weißmanns Bewerbung, von Unabhängigkeit und Vielfalt der Meinungen, aber auch von der Vielfalt in der Gesellschaft, die der ORF abzubilden habe. Der 53-Jährige betont diese Unabhängigkeit nicht von ungefähr. Er steht unter dem Generalverdacht eines türkisen Favoriten.

Die Medienpolitik der ÖVP unter Sebastian Kurz prägt der Wunsch nach Kontrolle, Message-Control ist das Stichwort. Kontrolle der Inhalte und des Bildes vor allem des Kanzlers in den Medien – in den eigenen, wie Zur Sache und Kanzlerpräsenzen von Tiktok und Instagram bis Facebook, sowie in näher und nahestehenden wie Exxpress, Kronen Zeitung, Österreich/Oe24 oder Kurier.

Türkise Medienpolitik ist besonders geprägt von Geben und Nehmen, wie eine Studie des Medienhaus Wien über öffentliche Inseratenvergabe und Medienförderungen gerade wieder aufzeigte: mit starkem, laut Studie sachlich nicht nachvollziehbarem Hang zum – oft freundlich begeisterten – Boulevard.

Diese türkise ÖVP des Sebastian Kurz hatte seit Regierungsantritt der Grünen, seit der gemeinsamen Besetzung der Regierungsmandate im ORF-Stiftungsrat die alleinige Mehrheit. Und sie hat sie genutzt, um einen schon seit den existenziellen Angriffen von ÖVP und FPÖ ab 2017 sehr entgegenkommenden, aber vielfach anpassungsfähigen ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz durch einen eigenen Kandidaten zu ersetzen.

Türkise Medienpolitik

Einen Kandidaten, auf den sie sich auch bei politischem Gegenwind und wechselnden Mehrheiten im ORF-Stiftungsrat verlassen kann. Das ist die eine Erklärung, die sich schlüssig aus der türkisen Medienpolitik ableitet. Eine sehr realistische Erklärung – trotz aller Beschwörung von Unabhängigkeit, Vielfalt, Ausgewogenheit und Objektivität.

Erklären ließe sich ein neuer ORF-General auch mit der zähen Entwicklung des ORF in den vergangenen Jahren, den in den (neu angelegten) Strukturen angelegten Blockaden und Konflikten, Doppelgleisigkeiten, viel Macht beim General, der oft auch nicht entscheide. Weißmann kritisiert das in seinem Konzept ungewohnt scharf. Er muss erst zeigen, dass er entschlossener, klarer, verantwortlicher entscheidet bei Projekten wie der Streamingplattform ORF-Player. Ein dafür lange gefordertes neues ORF-Gesetz mit weniger Beschränkungen könnte die ÖVP einem ORF-General Weißmann lieber mitgeben.

Sie wird dafür Wünsche haben, personell und inhaltlich im ORF. Und Roland Weißmann ist Alleingeschäftsführer mit Personalhoheit für alle Jobs unter den Direktoren. Ein paar hundert sind in den nächsten Jahren wegen Pensionen zu besetzen. Noch bis Jahresende ist Wrabetz ORF-Chef, er will noch die Führung der vereinten ORF-Information von TV, Radio, Online bestellen. Er könnte noch Signale setzen – und mit den Entscheidungen das Immunsystem des ORF zur Abwehr politischer Zugriffe stärken.

Ab 1. Jänner 2022 muss Roland Weißmann zeigen, wie ernst er es mit der vielfach beschworenen Unabhängigkeit nimmt. Er und der ORF werden unter besonderer Beobachtung stehen. (Harald Fidler, 10.8.2021)