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Der deutsch-chinesische Handel hat über die Jahre stark zugelegt. Nicht ersetzbar ist aber nur ein kleiner Teil der chinesischen Importe.

Foto: Reuters

Mit der Pandemie feierten Grenzen in vielen Weltregionen ein Comeback. So schlossen im Frühjahr 2020 viele Staaten über Nacht die Übergänge zu Nachbarländern, was lange Staus zur Folge hatte. Viele erinnern sich noch an die Lkw-Kolonnen an der deutsch-österreichischen Grenze. Parallel dazu stellte sich heraus, dass bestimmte Güter, die in einer Pandemie wichtig sind, allen voran Masken, nur in wenigen Ländern hergestellt werden, und so setzte am Weltmarkt ein regelrechter Kampf um sie ein. Dazu kam noch, dass es durch Corona zu Produktionsausfällen in mehreren Ländern kam. Lieferengpässe waren die Folge.

Alles in allem: Die Epidemie ist ein Testlauf für die Globalisierung geworden. Mit Corona sind die Rufe lauter geworden, wieder mehr regional zu produzieren und zu konsumieren, weil das sicherer sein soll.

Eine Gruppe von Forschern am Münchner Ifo-Institut hat in einer am Dienstag publizierten Studie versucht, das Risiko, das durch internationale Handelsverflechtungen entsteht, wissenschaftlich zu analysieren. Der Fokus der Autoren rund um die Ökonomin Lisandra Flach lag auf Deutschland. Doch die Daten sind auch aus österreichischer Sicht interessant. Erstens, weil Verflechtungen vor allem in Europa konzentriert sind, zweitens aber, weil die österreichische Wirtschaft starke Ähnlichkeiten mit jener Deutschlands hat.

Interessant ist an der Studie, dass sie zeigt, dass Deutschland zwar international stark vernetzt ist. Das Land importiert alles Mögliche: Motoren, Rohstoffe, Metalle, Textilien, Elektronik und Pharmaprodukte. Insgesamt sind es pro Jahr um die 9250 Waren. Aber laut Ifo-Studie besteht nur bei fünf Prozent davon eine Abhängigkeit von ausländischen Lieferanten. Betroffen sind fast nur Industriegüter.

Chemie und Pharma

Wie kommen die Forscher zu dieser Feststellung? Die Ökonomen nehmen nur dann eine Abhängigkeit von ausländischen Einfuhren an, wenn Deutschland mehr von einem bestimmten Produkttyp einführt als ausführt – dann kann diese Ware im Inland nämlich nicht leicht ersetzt werden.

Zweitens musste die Zahl der Partnerländer, aus denen das Produkt importiert wird, klein sein. Wendet man diese Kriterien auf alle Einfuhren an, bleiben nur ein paar Hundert Waren übrig, für die es keinen schnellen Ersatz gibt. "Die Lieferketten Deutschlands sind bereits stark diversifiziert", sagt Studienautorin Flach.

Der zweite entscheidende Punkt ist, dass die Abhängigkeit bei diesen Waren in 75 Prozent der Fälle zu anderen EU-Ländern besteht. Das ist wichtig, weil in Europa Handelsbeziehungen gut etabliert sind und durch die EU-Institutionen geschützt werden, heißt es im Paper. Das Risiko von Lieferausfällen ist hier also weit geringer. Dass die Lieferketten deshalb sicherer seien, als es vielleicht den Anschein haben mag, müsse bei den Debatten über die Globalisierung mitbedacht werden, so Ökonomin Flach.

Sieben Prozent der heiklen Importprodukte werden aus den USA bezogen, vier Prozent aus der Schweiz. Auf China entfallen nur drei Prozent, gar nur zwei Prozent auf Russland.

Was sind nun die heiklen Produkte, die Deutschland für seine Wirtschaft unbedingt aus dem Ausland braucht? Darunter fallen neben Rohstoffen vor allem chemische und pharmazeutische Erzeugnisse: Insgesamt geht es vor allem um 20 Einzelprodukte, die den größten Anteil bei heiklen Einfuhren ausmachen. Aus der EU ist Deutschland vor allem auf Lactame angewiesen, einen Rohstoff für die Produktion von Arzneien und Kunststoffen. Aber auch bei Motoren gibt es eine Abhängigkeit, von denen Deutschland viele aus Österreich bezieht, und bei Antikörpern.

Triebwerksteile und Öl

Im Falle der USA sind es Triebwerksteile (Boeing), bei der Schweiz Antibiotika. Auf China ist Deutschland bei den Einfuhren von Fahrradrahmen, Magneten und Ziergegenständen angewiesen, auf Russland bei Heizöl, Gasöl und Nickel.

Die Studie zeigt auch, wie wichtig die deutsche Industrie im gesamten europäischen Produktionsnetzwerk ist. Dabei sind Ungarn, Tschechien, die Slowakei, Polen und Österreich jene fünf Länder, die am stärksten von deutschen Vorprodukten abhängen. In Österreich gehen vier Prozent aller final gefertigten Güter auf ein importiertes Zwischenprodukt aus Deutschland zurück. Umgekehrt werden in der Bundesrepublik mehrheitlich ebenfalls vor allem Waren aus anderen EU-Staaten weiterverarbeitet.

Für die Ifo-Studie wurden auch 5000 Unternehmen dazu befragt, ob sie etwas an ihren Lieferketten nach der Pandemie ändern wollen. Die meisten wollen Lieferketten diversifizieren, nur zehn Prozent wollen Produktion nach Hause oder in das nähere EU-Umfeld holen. Die Globalisierung hätte die Pandemie demnach überdauert. (András Szigetvari, 11.8.2021)