Beate Meinl-Reisinger forderte im "Sommergespräch" ein Bundesrahmengesetz für Flächenwidmungen.

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Jeden Tag werden in Österreich fast zwölf Hektar Boden versiegelt – eine Fläche so groß wie 16 Fußballfelder. Neos-Parteichefin Beate Meinl-Reisinger forderte im "Sommergespräch" am Montag daher neue Regeln für die Raumplanung. Es sei ein Fehler, dass das "jede Gemeinde einzeln machen kann". Man müsse die Angelegenheit auf überregionale Ebene heben, außerdem brauche es ein Bundesrahmengesetz für Raumordnung, um der Bodenversiegelung den Kampf anzusagen.

Politisch und rechtlich schwierig

Politisch dürfte Mein-Reisingers Plan jedenfalls ein schwieriges Unterfangen sein. Die ÖVP erteilte dem Vorschlag bereits heute Dienstag eine Absage. "Es kann nicht sein, dass dann irgendjemand in Wien darüber entscheidet, welche Bauklasse ein Grundstück im Südburgenland oder im Ötztal hat", ließ die für Regionen zuständige Ministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) verlautbaren. Abgesehen von den politischen, gäbe es aber auch rechtliche Hürden: Eine bundesweite Neuregelung für die Raumplanung wäre ohne Verfassungsänderung nur sehr eingeschränkt möglich.

Bereits im Frühjahr 2020 hatten die Neos im Nationalrat einen letztlich erfolglosen Entschließungsantrag für ein "Bundesrahmengesetz" und eine "Bundesstrategie für Raumordnung und Flächenmanagement" eingebracht. Der Grund für die massive Bodenversiegelung sei die "disproportionale Kompetenzanhäufung auf Gemeindeebene" und der "Mangel einer bundesweiten, überregionalen Planungs- und Verkehrs- und Widmungsstrategie". Gemeinden ermöglichten durch ihre Widmungspolitik "Neubauten auf der grünen Wiese" und einen "regelrechten Wildwuchs von Einkaufszentren". Die Raumordnungspolitik solle daher "von Grund auf erneuert" werden.

Verfassungsmehrheit notwendig

Aktuell sind die verfassungsrechtlichen Vorgaben relativ komplex: Grundsätzlich haben die Länder die "allgemeine Raumordnungskompetenz". Sie beschließen Raumordnungsgesetze, die Ziele und Grundsätze festlegen. Die örtliche Raumplanung selbst ist laut Verfassung dagegen Teil des "eigenen Wirkungsbereichs der Gemeinden". Dem Bund bleiben nur sogenannte "Fachplanungskompetenzen", die sich aus dessen allgemeinen Zuständigkeiten ergeben. Dazu zählen etwa Bundesstraßen, das Forstwesen oder Abfallbehandlungsanlagen.

"Um ein Gemeinderahmengesetz im Nationalrat zu ermöglichen, wäre daher eine Verfassungsänderung notwendig", sagt Gerhard Strejcek, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Wien: "Der rechtspolitische Anstoß, über die Planungszuständigkeiten und die Verfahrensmöglichkeiten nachzudenken, ist aber interessant."

Ähnlich sieht das Peter Bußjäger, Professor für Verfassungsrecht an der Universität Innsbruck: "Abseits der Fachplanungskompetenzen sehe ich auf Basis der geltenden Verfassungsrechtslage keine Möglichkeit, dass der Bund einfachgesetzlich Maßnahmen trifft." Er könne allenfalls über "sanfte" Anreizsyteme wie Förderungen Impulse setzen.

Raumordnungskonferenz im Herbst

Laut Köstinger verschärft in der Raumordnung derzeit ein Bundesland nach dem anderen die Regeln. "Der Schwerpunkt liegt inzwischen klar auf der Nutzung innerörtlicher Flächen, auch der Mobilisierung bestehenden Baulandes. Uns eint alle das Ziel, den Bodenverbrauch zu senken, seit 2010 wurde die Zunahme halbiert."

Auch im Regierungsprogramm habe man das Ziel vereinbart, den Flächenverbrauch auf 2,5 Hektar bis 2030 zu reduzieren – derzeit liegt er bei 11,5 Hektar pro Tag im Drei-Jahres-Schnitt. Im Herbst soll dazu auch eine politische Raumordnungskonferenz in Wien stattfinden, in der Bund und Länder beraten, mit welchen Maßnahmen dieses Ziel erreichbar wird, betonte Köstinger gegenüber der APA. (Jakob Pflügl, 10.8.2021)