Von Forschungsinstituten bis hin zur Industrie sehen zahlreiche Stakeholder massives Potenzial in Gesundheitsdaten.

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Alles andere als ziemlich beste Freunde – so lässt sich das Verhältnis zwischen der Elga und dem Datenschutz beschreiben. Schon bei ihrer Einführung geriet die digitale Gesundheitsakte massiv in Kritik. Letztlich einigte man sich darauf, dass ein Ausstieg für jede Bürgerin und jeden Bürger möglich sein soll und dass die Daten nicht an Dritte weitergegeben werden. Zwei Grundsätze, an denen nun gerüttelt wird: Aufgrund der Pandemie wurde die Möglichkeit eines Opt-out beim E-Impfpass, der in der Elga hinterlegt ist, abgeschafft. Und immer konkreter werden die Überlegungen der Regierung, die Daten aus der Elga der Forschung bereitzustellen. So etwa bei der digitalen Strategie "Chancenreich Österreich" aus dem Wirtschaftsministerium, bei der explizit eine Nutzung von Elga-Daten als ein Weg genannt wird, um Gesundheitsdaten zu verwerten.

Grundsätzlich beinhaltet Elga nur einen Teil der Gesundheitsdaten, die hierzulande verarbeitet werden – viel mehr Informationen liefert etwa die lokale Dokumentation niedergelassener Ärzte, die langfristig ebenso digitalisiert und verwertet werden soll. Dennoch fungiert die Elga als ein Sinnbild für die Verwundbarkeit von Gesundheitsdaten – und rückt dadurch immer wieder ins Rampenlicht, wenn es um die weiterführende Nutzung derartiger Informationen geht.

Viele sind interessiert

Von Universitäten bis hin zu Pharmaunternehmen ist die Liste jener, die von einer Öffnung der Daten profitieren würden, lang. Mit den Gesundheitsdaten ließen sich zahlreiche neue Erkenntnisse ziehen. Ein Beispiel: Hätte man etwa die Medikationsdaten aus der Elga mit Informationen zu stationären Aufenthalten verknüpft, wäre es wohl möglich gewesen, bereits im vergangenen Jahr die Wirksamkeit des Asthmasprays Budesonid bei schweren Covid-19-Verläufen zu bemerken. Das bestätigt Elga-Geschäftsführer Franz Leisch auf STANDARD-Anfrage. Oder aber es wäre in Echtzeit für Unternehmen möglich nachzuvollziehen, wo es einen Engpass für bestimmte Medikamente gibt, und rechtzeitig Lieferungen zu organisieren. Initiativen, die sich für eine Öffnung einsetzen, gibt es mittlerweile einige, etwa die Data Intelligence Offensive (DIO), die im vergangenen Jahr gegründet wurde und die in engem Kontakt mit Ministerien steht. Zu ihren Unterstützern gehören etwa die Wirtschaftsuniversität Wien und die FH St. Pölten – aber gleichzeitig auch Unternehmen wie Amazon oder die Telekom Austria.

"Industrieinteresse"

In diesem Zusammenhang warnt Thomas Lohninger der Grundrechts-NGO Epicenter Works vor dem "massiven Industrieinteresse", das es für Gesundheitsdaten gibt. Die aktuelle "Goldgräberstimmung" rund um die potenzielle Nutzung von Elga-Daten sei besorgniserregend. Grundsätzlich sei eine Verwertung von Information nicht negativ – solange das nur in der wissenschaftlichen Forschung ohne wirtschaftliche Hintergedanken geschehe. In der Theorie sei es möglich, anhand von sogenannter "Differential Privacy" die Identifizierbarkeit von Einzelnen zu verhindern.

Dabei handelt es sich um Verfahren zur möglichst effizienten Verwässerung von Daten. Jedoch müsste immer je nach Datenlage entschieden werden – ein Prozess, der viel Sensibilität für Datenschutz voraussetzt. Letzteres vermisst die NGO bei der geplanten Novelle zum Forschungsorganisationsgesetz: Dieses sehe kaum Sicherheitsmechanismen vor, die vor Missbrauch schützten. Anhand des Gesetzes sollen Daten aus diversen öffentlichen Stellen bei der Statistik Austria gebündelt und wissenschaftlichen Einrichtungen zur Verfügung gestellt werden. Lohninger erwartet, dass in einem weiteren Schritt auch Elga-Daten geöffnet werden.

Abgeleitete Ergebnisse möglich

Dass dabei wirtschaftliche Interessen abgeblockt würden, sei jedoch kaum gewährleistet: Mit dem derzeitigen Entwurf sei es möglich, dass eine zugelassene Institution zwar wissenschaftliche Interessen in ihrem Antrag an die Statistik Austria angebe und so auch Zugriff erhalte, in einem weiteren Schritt aber mit denselben Daten ein durch Dritte finanziertes Nebenprojekt durchführen könnte – und so von Unternehmen finanzierte Interessen erfüllen.

"Beim jetzigen Gesetz muss das Hauptergebnis veröffentlicht werden, aber weitere, abgeleitete Ergebnisse nicht", so Lohninger. Somit gebe es keine Verpflichtung, dass Daten nur für das legitime Vorhaben, das zuvor genehmigt werden muss, genutzt werden. "Würde man das Impfdatum aus der Elga, den Bildungsstand, Infos aus dem Berufsleben und Krankenstände kombinieren, ließe sich ein genaues Bild bis auf Haushaltsebene anwenden." Damit könne eine Firma etwa plötzlich eine andere Kundenstrategie je nach Wohnort fahren.

Forschungsbeirat gefordert

Bedenken in Bezug auf die Wahrung des Datenschutzes hat etwa auch die Datenschutzbehörde in einer Stellungnahme angesprochen. "Es geht hier nicht um legitime Forschung, sondern darum, dass das Gesetz ermöglicht, im Verborgenen Daten auszulesen", lautet die Kritik von Epicenter Works. Die NGO fordert den Einsatz eines Registerforschungsbeirats, der Anträge prüft und Forderungen erstellen könnte, wie die Anonymisierung von Daten zu erfolgen hat.

Fragt man in informierten Kreisen, wird eine Öffnung von Gesundheitsdaten bereits rege diskutiert. Als Kandidaten, die die Informationen nebst der Statistik Austria bearbeiten sollen, werden das nationale Forschungsinstitut Gesundheit Österreich und der Dachverband der Sozialversicherungsträger genannt. Sie könnten in Zukunft Daten aus der Elga anonymisieren und bereitstellen. (Muzayen Al-Youssef, 11.8.2021)