Mit 230 Sachen durch den Flachgauer Eisenbahntunnel? Der für den Fern- wie für den Nahverkehr so wichtige Ausbau der Weststrecke steckt weiterhin im Planungsstadium.

Foto: ÖBB / Robert Deopito

Zuerst war es der Grubenlaufkäfer, dann kam der Rotmilan. Ein Insekt und ein Greifvogel – beide streng geschützt – blockieren aktuell den Ausbau der Westbahnstrecke durch den Salzburger Flachgau zu einer Hochleistungsstrecke. Möglicherweise kommt auch die Gelbbauchunke hinzu. Nach dem Vorkommen dieser Amphibienart wird derzeit noch gesucht.

Die geschützten Arten leben just dort, wo die ÖBB für den beim Bau der Trasse anfallenden Aushub eine Deponie einrichten wollte. Mehr als zwei Millionen Kubikmeter dürften anfallen, immerhin soll der Tunnel der insgesamt 21,3 Kilometer langen Strecke 16,5 Kilometer lang sein. Angesichts der geschützten Arten sind aber alle ins Spiel gebrachten Deponiestandorte nicht genehmigungsfähig.

Ausbau dringend erforderlich

Der Streckenausbau mit einer Zeitersparnis im Fernverkehr von fünf Minuten bleibt freilich weiterhin notwendig. Es geht um die Anbindung an das europäische Hochleistungsstreckennetz gleichermaßen wie um den Gütertransport und den Nahverkehr. Vereinfacht gesagt: Die durch die neue Bahn freiwerdenden Gleiskapazitäten werden dringend für den Ausbau des schienengebundenen Personennahverkehrs im Salzburger Zentralraum benötigt. Stichwort: Klimaschutz und Verkehrswende.

Der Flaschenhals – man könnte auch sagen Nadelöhr – liegt mitten im Netz der Europäischen Hochleistungsstrecken.
Foto: ÖBB/Andrea Klausner

Und die Zeit drängt: Selbst wenn nicht neue Hürden auftauchen, dürften frühestens 2040 die ersten Züge auf der neuen Strecke rollen. Bis dahin bleibt der Flachgau ein Flaschenhals im Eisenbahnnetz.

Abtransport des Aushubs

Da weit und breit kein Deponiestandort in Sicht ist – ein im nahen Oberösterreich gefundener Platz scheitert am Vorkommen des Steinkrebses –, denkt das Projektmanagement an den Abtransport des Aushubs via Eisenbahn.

Was einfach klingt, ist angesichts der Dimensionen des Projekts eine logistische Herkulesaufgabe. Am nördlichen Tunnelende müsste ein Rangier- und Verladebahnhof eingerichtet werden, und da die Weststrecke jetzt schon an ihrer Kapazitätsgrenze angelangt ist, könnte nur in der Nacht gefahren werden. Die Kosten würden wohl im dreistelligen Millionenbereich liegen.

SPÖ will Tiere absiedeln

Die Abfuhr des Aushubs in der Nacht stößt auch auf Widerstand. "Fünf Jahre lang Lärm: jede Nacht sechs Züge mit je 400 Meter Länge, bis zu 96 Dezibel laut", fasst der Köstendorfer SPÖ-Gemeinderat Bernhard Weiß die Anrainersorgen zusammen. Weiß wartet nun mit einem anderen Vorschlag auf: "Man sollte daher prüfen, ob die die Grubenlaufkäfer und Milane umgesiedelt werden können. Damit wäre dem Naturschutz wie auch der Gesundheit der Menschen Rechnung getragen. Und vermutlich wäre es sogar günstiger, als in den nächsten fünf Jahren permanent Aushubmaterial wegzutransportieren." Die Realisierung dieser Idee wird von Biologen allerdings als "kaum machbar" bezeichnet.

Wahllose Verbauung

Dass heute überhaupt über einen Tunnel, eine Deponie und Kosten von zumindest 2,8 Milliarden Euro diskutiert wird, ist der Gesamtgeschichte des Eisenbahnprojekts geschuldet. Der Planungsbeginn reicht bis in das Jahr 1990 zurück. Ende der 1990er-Jahre wurde dann ein Trassenentwurf präsentiert.

Und schnell rächten sich die von den mehrheitlich schwarzen Bürgermeistern und der ÖVP-geführten Landesregierung zu verantwortenden Raumordnungssünden. Angesichts der wahllosen Verbauung des Flachgaus mit Einfamilienhäusern bliebe es nicht aus, dass die Trasse in einigen Bereichen in die Nähe von Wohnhäusern geführt hätte. Vor allem im Raum Seekirchen protestierten einige Anrainer.

Haider und Schausberger

Als sich schließlich auch der damalige Landeshauptmann Franz Schausberger (ÖVP) angesichts sinkender Popularitätswerte gegen das Projekt stellte und Jörg Haider (FPÖ) massiv für den Koralmtunnel intervenierte, wurde der Ausbau der Westbahnstrecke auf Eis gelegt. Das nun vorliegende Tunnelprojekt wurde erst 2013 der Öffentlichkeit vorgestellt. Dann entdeckte man Steinkrebs, Grubenlaufkäfer und Rotmilan. (Thomas Neuhold, 12.8.2021)