Gelb, so weit das Auge reicht. In den Tiefen des Industriegebiets des 23. Wiener Gemeindebezirks entkommt niemand dem grellen Farbton. Gelbe Lkws kehren auf ihre Parkplätze zurück. Fahrer in gelben T-Shirts steigen aus und suchen den Schatten entlang der gelb gestrichenen Fassade des Briefzentrums der Österreichischen Post in der Halban-Kurz-Straße. Es ist 13 Uhr, und die Mittagshitze treibt das Thermometer auf 30 Grad.

Neben Postkarten, Rechnungen und Paketen aus dem In- und EU-Ausland bringen die Transporter monatlich rund 300.000 Sendungen aus EU-Drittstaaten. Für zwei Drittel davon geht die Reise nach kurzer Überprüfung ein paar Meter weiter in einen gelben Containerbau. Paketlogistik Österreich steht in großen Lettern darauf geschrieben, die Postler nennen es salopp Auslandszentrum. Hier unterziehen die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen den angegebenen Warenwert auf den Paketen einem Realitätscheck.

Schnäppchensteuer

Seit 1. Juli hat sich dabei einiges verändert. Grund dafür ist die Ausweitung der Einfuhrumsatzsteuer (EUSt). Während Kundinnen und Kunden zuvor Sendungen bis zu einem Warenwert von 22 Euro abgabefrei etwa aus China oder den USA bestellen konnten, fallen nun bereits ab dem ersten Cent 20 Prozent Steuer an. Damit will man wohl dem starken chinesischen Markt Einhalt gebieten und vor allem kleinen Bestellungen wie der Handyhülle aus China den Garaus machen.

Sendungen aus dem EU-Ausland mit zweifelhaftem Warenwert kommen zur Überprüfung in dieses Lager.
STANDARD/Andy Urban

Der Plan scheint zu funktionieren. Immerhin berichtet Gruppenleiter Josef Rühringer zumindest von weniger Paketen. Er arbeitet seit über 20 Jahren im Zollgeschäft der Post. "Früher hatten wir von Ende Juni bis Mitte September ein Sommerloch. Das gab es die letzten Jahre aber nicht mehr. Es kamen immer konstant dieselben Mengen herein." Heuer sei das anders. Das Arbeitspensum liege derzeit zwei Drittel unter den monatlichen Erwartungen. Ob das Zufall sei oder tatsächlich mit den neuen gesetzlichen Bestimmungen zusammenhänge, könne er erst am Ende des Jahres mit Sicherheit sagen.

Neue Halle in der Halle

Die Kapazitäten im Auslandszentrum sind jedenfalls auf sieben Millionen Sendungen aus dem EU-Ausland pro Jahr ausgelegt. Bereits seit Anfang 2019 hat sich die Post auf diese Umstellung vorbereitet. Neben technischer Infrastruktur, neuen IT-Systemen mit dem vielversprechenden Namen Zeus, wurden rund 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingestellt und rund 400 Quadratmeter Lagerkapazitäten in der bereits bestehenden Halle geschaffen. Die investierte Summe will man auf Nachfrage des STANDARD nicht nennen.

Für die Lagerung fallen Kosten an – den Kunden wird ein zusätzliches Lagerentgelt von 24 Euro verrechnet.
STANDARD/Andy Urban

Der große Aufwand war vor allem deshalb nötig, weil Briefe und Pakete nur dann in den EU-Raum eingeführt werden dürfen, wenn alle Abgaben bereits beglichen sind. Die drei größten chinesischen Versandhändler Ali Express, Alibaba und Wish haben schnell darauf reagiert. Sie arbeiten mit Systemen wie IOSS (Import One Stop Shop) zusammen, wodurch die Steuer direkt während des Kaufs im Ausland bezahlt wird. Ist dies – wie bei vielen kleineren Onlinehändlern – nicht der Fall, schießt die Post den Steuersatz vor und verrechnet den Kundinnen und Kunden dafür zusätzlich einen Importtarif von fünf Euro. Ab einem Warenwert zwischen 150 bis 1000 Euro sind zehn Euro zu berappen. Abgerechnet wird bei der Übergabe.

Pakete bleiben liegen

Damit ist die Arbeit in den meisten Fällen allerdings nicht erledigt. Denn die Überprüfung des Warenwerts fällt seit 1. Juli ebenfalls in die Zuständigkeit der Post. Früher hat das der Zoll erledigt. Doch woher wissen Postler überhaupt, dass der Warenwert nicht plausibel ist? Immerhin sehen auch sie nur einen verschlossenen Pappkarton. Erfahrung lautet das Zauberwort. "Es sind immer wieder dieselben Pakete, und irgendwann hat man alles schon einmal gesehen", sagt Rühringer. Punktuell wird auch der Inhalt kontrolliert.

Was ist drin in diesen Packerln? Die Mitarbeiter der Post meinen, sie erkennen das. Erfahrung sei das Zauberwort.
STANDARD/Andy Urban

Fallen die Sendungen auf, kontaktieren die Mitarbeiter die Empfänger und bitten um eine Rechnung, die den angegebenen Warenwert bestätigt. Für diesen Aufwand fallen zusätzlich 24 Euro Lagerentgelt an. Rund 400 Anfragen gehen täglich raus. Rühringer: "Zweimal dürfen wir Kunden avisieren. Kommt keine Antwort, geht das Paket zurück an den Absender." Laut Rühringer verweigert die Hälfte der Kunden die Warenannahme, noch bevor das Paket je den Lagerraum verlassen hat. Das ist auch wenig verwunderlich, zu diesem Zeitpunkt hat sich der ursprüngliche Preis einer Handyhülle um beispielsweise drei Euro bereits mehr als verzehnfacht und liegt bei 32,60 Euro (Warenwert + EUSt + Importtarif + Lagerentgelt).

Aber auch die Pakete, die den Weg aus dem Lager schaffen, erleiden ein ähnliches Schicksal. Täglich landen 300 Sendungen nach fehlgeschlagenem Zustellversuch wieder in der Halle. Von dort aus führt die Odyssee zurück zum Absender. (Julia Beirer, 12.8.2021)