Ob Waldbrände in Kalifornien, Australien oder aktuell im Mittelmeerraum: Johann Goldammer ist immer ein gefragter Gesprächspartner. Der Feuerökologe erforscht seit Jahrzehnten Brände und wird von Regierungen regelmäßig um Rat gefragt.

STANDARD: Werden wir uns im Mittelmeerraum an riesige Waldbrände gewöhnen müssen?

Goldammer: Wir müssen uns nicht daran gewöhnen, weil es Wege gibt, solche Brände zu vermeiden. Derzeit sehen wir überall auf der Welt, dass der Fokus darauf liegt, die Kapazitäten zur Feuerbekämpfung zu vergrößern. Das bedeutet aber, dem Problem hinterherzulaufen. Viel wichtiger ist: Wie können wir unsere Landschaften so gestalten, dass sie weniger empfindlich für Feuer sind?

Feuer auf der griechischen Insel Euböa nahe der Ortschaft Kamatriades.
Foto: EPA/SPIROS KOUROS

STANDARD: Was macht die Landschaften in der Mittelmeerregion so anfällig für Feuer?

Goldammer: In der Türkei etwa gibt es großflächige Aufforstungen. Diese Kieferplantagen sind extrem feueranfällig. Das ist ein Teil der Landschaft, der andere ist gerade im Mittelmeerraum eigentlich traditionell dicht besiedelt. Diese alten Kulturlandschaften befinden sich in einem Wandel: Junge Menschen ziehen vom Land in die Städte, und es ist niemand mehr da, um das Land zu bewirtschaften. Stattdessen kommt es zur Aufforstung, oder das Land fällt brach. Dann folgt eine ökologische Sukzession: Die Natur erobert sich den Raum zurück, und das bedeutet, das Feuer findet Nahrung, weil viel Holz und andere brennbare Biomasse vorhanden ist. Landflucht begünstigt also Waldbrände, und hinzu kommt der Klimawandel.

STANDARD: Wie kann man diese Landschaften feuerfester machen?

Goldammer: Man muss sich fragen, wie der Wald der Zukunft aussehen soll. Denn es muss einer sein, der künftig in einem Klima leben muss, wie wir es derzeit schon in Nordafrika haben. Ideal ist Agroforstwirtschaft: eine Kombination aus Land- und Weidewirtschaft mit Wald. Wenn man das Land zum Teil intensiv bewirtschaftet, ist nicht so viel Brennmaterial vorhanden wie in einem dicht bestockten Wald. Ziegen und Schafe können zudem das Brennmaterial ständig reduzieren.

STANDARD: Gibt es in Europa bereits ein Land, das diesen Weg einschlägt?

Goldammer: Portugal hat das als erstes Land in Europa systematisch aufgegriffen, nachdem die Regierung nach den Waldbränden 2017 die Wissenschaft um Rat gefragt hat. Ich habe damals mit weiteren Experten mit Regierungschef António Costa darüber diskutiert. Einige Monate später hat er eine Einrichtung installiert, die das Feuermanagement ressortübergreifend koordiniert – mit dem Schwerpunkt Prävention, wie ich ihn beschrieben habe.

Grafik: Standard

STANDARD: In Griechenland wurden Sie nach den Bränden 2018 vom damaligen griechischen Premier Alexis Tsipras zum Vorsitzenden einer unabhängigen Kommission berufen, die ein Brandschutzkonzept für die Zukunft erstellen sollte. Wie ging es weiter?

Goldammer: Wir haben der Regierung und dem Parlament das Konzept 2019 vorgelegt, das im Grunde das enthält, was ich beschrieben habe. Die Regierung hat diese Vorschläge aber nicht aufgegriffen.

STANDARD: Wie lange dauert es, um eine Landschaft Ihren Vorschlägen entsprechend feuersicher zu machen?

Goldammer: Das dauert viele Jahre, mitunter sogar Jahrzehnte. Das ist für die Politik natürlich ein schwieriges Unterfangen. Die griechische Regierung hat sich zunächst darauf konzentriert, den Zivilschutz zu stärken und massiv in Löschflugzeuge und sonstige Geräte zur Feuerbekämpfung zu investieren.

STANDARD: Griechenland hat diese Woche angekündigt, den Zivilschutz neu zu organisieren und Aufforstungen nach neuestem Wissensstand durchzuführen. Stehen Sie in Kontakt mit der griechischen Regierung?

Goldammer: Neben unserer strategischen Empfehlung steht die Expertise der Kommission der Regierung zur Verfügung. Für mich und meine Kollegen in der Kommission ist klar: Das, was wir zum Brandschutz vorgeschlagen haben, ist ein Weg, der gegangen werden muss. Ob unser Konzept sofort aufgegriffen wird oder ob zuvor noch ein Lernprozess einsetzen muss, wird man sehen.

Johann Goldammer: "Man muss sich fragen, wie der Wald der Zukunft aussehen soll."
Foto: Philipp von Ditfurth

STANDARD: Parallel dazu den Zivilschutz zu stärken ist aber an und für sich keine schlechte Idee, oder? Schließlich muss man auch kurzfristig etwas gegen die Brände tun können.

Goldammer: Griechenland hat heuer bisher zweieinhalb Milliarden Euro zur Stärkung des Zivilschutzes ausgegeben. Und man sieht, dass es nicht gereicht hat. Genau das ist Anlass, erneut darüber nachzudenken, welche Prioritäten künftig gesetzt werden sollten.

STANDARD: Besteht die Gefahr, solche Brände auch einmal in Mitteleuropa zu sehen?

Goldammer: Ja. Die Dürreperioden wie 2018 und 2019, die in Zukunft weiter zunehmen werden, haben in Deutschland bereits zwei Drittel des Waldes beschädigt. Und knapp 80 Prozent der Baumkronen sind durch Trockenheit geschädigt. Den Waldzustand, den wir derzeit in Mitteleuropa haben, können wir nicht erhalten. Wir in Deutschland und Österreich sollten in die Mittelmeerregion schauen, und die Menschen dort sollten nach Afrika schauen. Dort ist das Klima bereits so, wie es in Zukunft auf unsere Regionen zukommt. Und darauf müssen wir uns einstellen. (Kim Son Hoang, 12.8.2021)