Sport und Ernährung: zwei Schrauben, an denen man beim Abnehmen drehen kann.

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Die Semmel zum Frühstück, das Gulasch zu Mittag, zwei Stück Kuchen danach: Einen Tag lang wird von jeder Mahlzeit ein Foto gemacht. Darum bittet die Wiener Personal Trainerin und Ernährungswissenschafterin Karin Pauer Kundinnen und Kunden, die abnehmen wollen. Was sich bei den Fotos durchzieht: "Die Leute essen durch die Bank viel zu wenig Gemüse", sagt Pauer. "Ein paar Gurkenscheiben reichen da nicht."

Abnehmen ist bei vielen Menschen eineinhalb Jahre nach Beginn der Corona-Pandemie ein großes Thema. Durch Homeoffice, fettiges Essen und geschlossene Fitnessstudios bringen viele heute mehr Gewicht auf die Waage. Bei jedem Dritten sind es im Schnitt bis zu sechs Kilo, wie eine Studie des Instituts für Ernährungsmedizin (ÖAIE) vor kurzem herausfand.

Bemerkbar macht sich das häufig erst dann, wenn man die bequeme Jogginghose gegen die Bürokleidung von vor der Pandemie tauscht. Für viele steht der Entschluss vor dem Spiegel dann fest: Die Kilos müssen weg. Bloß wie?

In der Theorie ist Abnehmen einfach: Man muss mehr Kalorien verbrauchen, als man dem Körper zuführt. Praktisch ist die Sache aber viel, viel komplizierter. Das fängt schon bei der Frage an, an welchen Schrauben man im Alltag drehen muss. Ist es die Ernährung, die optimiert werden sollte – oder muss die verstaubte Trainingsmatte doch wieder einmal im Wohnzimmer ausgerollt werden?

Ernährung als Hebel

Sowohl als auch, raten Expertinnen. "Aber 70 Prozent sind Ernährung, der Rest ist Sport", sagt Sportwissenschafterin Elisabeth Niedereder, der das Studio Tristyle gehört. Bei Personal Trainerin Karin Pauer werden nach Analyse der Essensfotos gegebenenfalls die Portionsgrößen verkleinert, unnötige Zwischenmahlzeiten gestrichen und der Alkoholkonsum, der bei vielen durch Corona angestiegen ist, reduziert.

Es geht aber auch um Wissensvermittlung. Viele Menschen, die mit Übergewicht kommen, wüssten gar nicht, was eine ausgewogene Ernährung eigentlich bedeute, berichtet Elisabeth Niedereder: "Oft werden sogar Mahlzeiten ausgelassen, dafür kommen dann Heißhungerattacken."

Vielen fällt aber eine Ernährungsumstellung noch einmal schwerer, als mehr Bewegung in ihren Alltag zu integrieren: "Ernährung ist ein ganz sensibles Thema", sagt Niedereder, "da geht es ganz tief rein in die Psyche." Ein 30-minütiger Spaziergang sei da mitunter machbarer, als abends auf Schokolade zu verzichten, wenn man sich einsam fühlt.

Powerwalking oder Laufen

Klar ist: Sport hilft beim Abnehmen. Dadurch werden Muskeln aufgebaut, die Fitness und auch das körperliche Wohlbefinden verbessert. Daher sollte beim Abnehmen auch mehr Bewegung auf dem Plan stehen: Niedereder rät Anfängerinnen und Anfängern zu einem Minimum von dreimal 30 Minuten Bewegung pro Woche, etwa durch Powerwalking oder Laufen. "Natürlich reicht das nicht auf Dauer." Aber viele würde ein höherer Umfang abschrecken. Ergänzend zur Bewegung im Freien, die auch stressabbauend wirkt, empfiehlt Karin Pauer auch Krafttraining, etwa mit dem Eigenkörpergewicht zu Hause.

Ein häufiges Problem mit der Bewegung: "Viele schätzen den Energieverbrauch durch Sport völlig falsch ein", sagt Niedereder. Viele glauben, dass sie bei einem 30-minütigen Lauf eine Pizza verbrennen – und belohnen sich im Anschluss damit. In Wahrheit ist es ein kleines belegtes Weckerl, das beim Laufen verbrannt wird, wenn überhaupt.

Wichtig ist jedenfalls, sich beim Abnehmen Ziele zu stecken: mehr Vitalität, zum Beispiel, um wieder bei den Kindern oder Enkelkindern mithalten zu können. Oder das Immunsystem durch einen gesünderen Lebensstil zu stärken – in Zeiten einer Pandemie ja kein ganz verwegener Wunsch. Sehr häufig geht es den Abnehmwilligen aber natürlich um die Optik.

Erwartungen dämpfen

Manchmal müssen die Fitnesstrainerinnen die Erwartungen gleich ein wenig dämpfen. Der Waschbrettbauch ist so ein Klassiker, erzählt Niedereder. "Viele kaufen sich einen Ab-Trainer und glauben, dass davon das Fett schmilzt." So funktioniert das aber nicht: Wer ein Sixpack möchte, muss Bauchfett verlieren, damit die Muskeln darunter überhaupt erst zum Vorschein kommen können. "Mit 25 Prozent Fett am Bauch wird das schwer", sagt Niedereder.

Ein eher neuer Trend ist der Wunsch nach einem muskulösen Hinterteil bei Frauen. Allerdings macht die Trainerin ihren Kundinnen dann klar: Dafür braucht es Krafttraining mit hohen Gewichten. "Dann sagen die Frauen wieder: Ich will aber keine aufgeblasenen Muskeln", sagt Niedereder.

Noch ein Körperteil, das viele gern durch Training verändern möchten, ist der Trizeps, denn speziell bei Frauen mittleren Alters beginnt die Haut hier irgendwann zu hängen. Mit Krafttraining könne man diesen Bereich schon trainieren, sagt Niedereder. "Aber Haut und Gewebe wird man dadurch nicht groß ändern. Manches ist eben eine Frage des Alters."

Noch nicht bereit

Ob Sport oder Ernährung, wer abnehmen möchte, braucht am Ende viel Disziplin: "Man muss aus der Komfortzone raus, wenn man etwas verändern will", betont Pauer. Erst dann gebe es eine Entwicklung. "Und dann fängt es an, Spaß zu machen." Im besten Fall zumindest. Denn für manche bleiben Bewegung und gesunde Ernährung eine Überwindung.

Viele scheitern daher regelmäßig aufs Neue an ihrem Abnehmprojekt. Manche Kundinnen und Kunden seien letztendlich eben nicht bereit für die Lebensstiländerung, wissen die Trainerinnen aus Erfahrung. Noch nicht. "Aber irgendetwas bleibt immer hängen", ist Niedereder überzeugt. "Und irgendwann kann man darauf zurückgreifen." (Franziska Zoidl, 20.8.2021)