Zahlreiche Menschen protestierten am Mittwochabend gegen die Novelle des Mediengesetzes.

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Warschau – Polens Unterhaus hat am Mittwoch nach einer turbulenten Debatte für eine umstrittene Medienreform gestimmt. Der Sejm votierte am Abend mit 228 Stimmen für das Gesetz, das die Vorschriften für ausländische Beteiligungen an polnischen Medien verschärft. 216 Abgeordnete votierten dagegen. Sie sehen in der Reform einen Versuch, gegen den regierungskritischen Sender TVN24 vorzugehen, der dem US-Konzern Discovery gehört. Die Vorlage geht nun an die zweite Kammer, den Senat.

Die Reform dürfte die Beziehungen zu den USA belasten. Ein Vertreter des US-Außenministeriums hatte erklärt, sollte TVN24 keine neue Lizenz erhalten, könne dies amerikanische Investitionen in Polen gefährden. Eine freie und unabhängige Presse mache eine Demokratie stärker, sagte der Sprecher des Außenministeriums, Ned Price, am Mittwochnachmittag (Ortszeit) in Washington kurz vor der Abstimmung in Warschau. "Deshalb haben wir (...) die polnische Regierung aufgefordert, ihr Engagement für diese Grundsätze unter Beweis zu stellen."

Kritik aus USA und EU

Ranghohe Vertreter des US-Außenministeriums hätten in den vergangenen Stunden Kontakt mit polnischen Vertretern gehabt, so Price weiter. "Polen ist ein wichtiger Nato-Verbündeter, der versteht, dass das transatlantische Bündnis nicht nur auf gegenseitigen Interessen beruht, wenn es um unsere gemeinsame Sicherheit geht, sondern auch um das gegenseitige Engagement für gemeinsame demokratische Werte und Wohlstand."

Auch aus der EU kam Kritik. Der Präsident des Europaparlaments, David Sassoli, hat das neue Rundfunkgesetz als ernst zu nehmende Gefahr für das unabhängige Fernsehen im Land bezeichnet. "Es kann keine Freiheit ohne freie Medien geben", schrieb er am Donnerstag auf Twitter. Die EU-Kommissionsvizepräsidentin Vera Jourova meinte auf Twitter: "Medienpluralismus und Meinungsvielfalt sind das, was starke Demokratien begrüßen und nicht bekämpfen." Der Gesetzesentwurf sende "ein negatives Signal".

Verschiebung abgelehnt

Während der Sitzung des Sejm kam es zum Eklat, als eine knappe Mehrheit der Abgeordneten zunächst dafür stimmte, das Votum über die Reform zu verschieben. Parlamentspräsidentin Elzbieta Witek hob die Entscheidung jedoch auf, mit der Begründung, sie habe vergessen, das neue Datum für eine Abstimmung anzugeben. Abgeordnete der Regierungspartei hatten eine Wiederholung des Votums gefordert. Beim zweiten Votum wurde die Verschiebung dann abgelehnt. Oppositionsvertreter nannten Witeks Vorgehen illegal.

Die Regierungskoalition um die national-konservative PiS-Partei brachte die Medienreform damit trotz eines offenen Konflikts mit einem bisherigen Koalitionspartner durch. Ministerpräsident Mateusz Morawiecki von der PiS hatte am Dienstag dessen Chef, Arbeitsminister Jaroslaw Gowin, entlassen. Dabei verwies Morawiecki auf Wirtschaftsreformen, bei denen die beiden Parteien über Kreuz lagen. Gowin hatte zudem zu den umstrittenen Justizreformen des Landes erklärt, es sei nicht sinnvoll, deswegen in einen Streit mit der Europäischen Union zu geraten.

Einschränkung für Rundfunklizenzen

Die Änderung sieht vor, dass künftig in Polen Rundfunklizenzen nur noch dann an Ausländer vergeben werden dürfen, wenn diese "ihre Zentrale oder ihren Wohnsitz im Bereich des Europäischen Wirtschaftsraums haben". Zusätzlich gilt die Bedingung, dass der Lizenznehmer nicht von jemandem abhängig sein darf, der Zentrale oder Wohnsitz außerhalb dieses Wirtschaftsraums hat. Nach Ansicht von Kritikern zielt das Gesetz auf den Privatsender TVN, der über eine in den Niederlanden registrierte Holding Teil des US-Konzerns Discovery ist. Der Nachrichtensender TVN24 vertritt eine PiS-kritische Linie. Nachdem der Sejm, die erste Kammer des Parlaments, der Gesetzesänderung zugestimmt hat, geht sie nun an den Senat, die zweite Kammer. Dieser kann noch Änderungsvorschläge machen.

Im Streit um die Gesetzesänderung war zuvor das Regierungsbündnis der PiS zerbrochen. Nachdem Ministerpräsident Mateusz Morawiecki seinen Stellvertreter Jaroslaw Gowin entlassen hatte, kündigte dessen Gruppierung Porozumenie (Verständigung) die Zusammenarbeit mit der PiS auf.

Medienreform als Hintergrund für Koalitionsbruch

Man wolle fortan als eigenständige Parlamentariergruppe agieren, teilte Sprecher Jan Strzezek auf Twitter mit. Fünf stellvertretende Minister aus Gowins Lager stellten ihre Ämter zur Verfügung. Porozumenie bildete mit der PiS und einer weiteren Kleinpartei bislang das Listenbündnis "Vereinte Rechte" und stellte zwölf von 232 Abgeordneten des Regierungslagers.

Als Begründung für die Entlassung des 59-jährigen Gowin hieß es offiziell, seine Gruppierung habe nicht im ausreichenden Tempo an Reformen der PiS mitgearbeitet. Gowin hatte kritisiert, dass für ein geplantes Konjunkturprogramm massive Steuererhöhungen vorgesehen sind. Eigentlicher Hintergrund ist aber der Streit um die Novelle des Rundfunkgesetzes, die Gowin kritisiert hatte. (APA, 12.8.2021)