Eine Titelseite mit Folgen: Die "Kronen Zeitung" klagt nach erzwungener Urteilsveröffentlichung jenen Artikel ein, den die Fellner-Medien zur Titelseite stellten.

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Wer im Streit zwischen "Krone" und der Mediengruppe Österreich den ersten Stein geworfen haben will, ist schwer zu beantworten. Fest steht jedoch, dass es weitere Klagen gibt: Die "Krone" und ihr Eigentümer und Chefredakteur persönlich, Christoph Dichand, klagen Wolfgang Fellners Mediengruppe wegen eines weiteren Artikels von Ende Juli, in dem suggeriert wird, beide stünden hinter den Vorwürfen der sexuellen Belästigung, die ehemalige Mitarbeiterinnen Fellners gegen ihren Ex-Chef erheben. Der Herausgeber der Tageszeitungen "Oe24" und "Österreich" weist diese Vorwürfe auch in diesem Artikel als "falsch" zurück.

Einen Etappensieg erreichte Dichand bereits mit den medienrechtlichen Anträgen vor dem Straflandesgericht Wien: In den nächsten Tagen muss in "Österreich" und "Oe24" eine Mitteilung über das laufende Verfahren veröffentlicht werden, da das Gericht in einem Beschluss die Ansicht vertritt, dass nach derzeitigem Verfahrensstand anzunehmen ist, dass die Anspruchsvoraussetzungen vorliegen.

Kampf um Titelseiten-Urteil

Der inkriminierte Artikel erschien am 27. Juli auf Seite zwei von "Österreich" und "Oe24". Auf der Titelseite musste die Mediengruppe ein Urteil des Oberlandesgerichts Wien veröffentlichen, das die "Krone" wegen Falschbehauptungen zu angeblichen Reichweitengewinnen und der Behauptung, Fellners Medien seien online in Sachen Nachrichten die schnellsten, erwirkt hatte. Auf der folgenden Seite findet sich als Konter ein Rundumschlag gegen den Konkurrenten Fellners: Die Veröffentlichung des Urteils sei eine "Schande" für die "Krone" und ein "Anschlag auf die Pressefreiheit". Geklagt wird jene Passage, in der Dichand dafür verantwortlich gemacht wird, hinter den Vorwürfen der Ex-Oe24-Moderatorinnen zu stehen und nun auch seinen Anwalt Michael Rami auf "Oe24" zu "hetzen".

Ähnlich wie in jenen Klagen, die Dichand und "Krone" wegen Artikeln über die Belästigungscausa von Anfang Juni bereits einbrachten, stellt Dichand nicht nur medienrechtliche Anträge, sondern klagt vor dem Handelsgericht Wien wegen der Verwendung seines Bildes im Zusammenhang mit mutmaßlich ehrenbeleidigenden Behauptungen. Die "Krone" klagt ebenfalls wieder wegen mutmaßlicher Herabsetzung eines im Wettbewerb stehenden Unternehmens.

Durch die inkriminierten Behauptungen sei das Ansehen der "Kronen Zeitung" beschädigt: Der Zeitung werde vorgeworfen, absichtlich falsche Behauptungen zu verbreiten. Solche Vorwürfe würden die wichtigste Grundlage einer Zeitung, Seriosität und journalistische Sorgfalt, betreffen, so die Argumentation in der Klage. Geklagt wird in beiden Fällen auf Unterlassung, Anspruch auf Urteilsveröffentlichung und Schadenersatz.

Fellner freut sich auf Klagen

In beiden Klagen ist wieder jene Liste an Zeuginnen und Zeugen zu finden, die bereits in den vier Klagen gegen die Berichterstattung von Anfang Juni angeführt wurde. Darauf befinden sich Namen mutmaßlicher Belästigungsopfer, die ihre Vorwürfe bislang noch nicht öffentlich artikulierten. Fellner bezeichnet diese Liste als "absurd", keine der Genannten sei eine Zeugin gegen ihn.

Fellner zeigt sich auf Nachfrage von den neuen Klagen "amüsiert". Die Prozesse würden klären, ob Anwalt Rami die "Krone" in Wettbewerbscausen überhaupt vertreten dürfe, wie viel Honorare er von seiner Mandantin erhalte und wer ihn für seine anwaltliche Tätigkeit in der Belästigungscausa bezahle.

Fellner-Medien kampagnisieren seit Wochen gegen Rami: In etlichen Artikeln wird Rami eine Unvereinbarkeit seines Hauptberufs als Anwalt und seiner Tätigkeit als Verfassungsrichter vorgeworfen. Rami sei ein "Titelseiten-Anwalt", "Dobermann-Anwalt" oder "Anwalts-Rambo". Rami sagt, dass sich Fellners Bezeichnungen für ihn selbst richten würden.

Lange Liste an Verfahren

Die Liste an Prozessen, die im Zusammenhang mit der Belästigungscausa und der Berichterstattung darüber stehen, ist mittlerweile lang. "Krone" und Dichand haben zusammengerechnet acht Klagen eingebracht, eine weitere medienrechtliche von Dichand dürfte folgen – DER STANDARD berichtete.

Auch Raphaela Scharf, jene Ex-Oe24.TV-Moderatorin, die als erste Frau Vorwürfe der sexuellen Belästigung gegen Fellner erhob, kämpft an mehreren Fronten. Sie brachte einen Antrag bei der Gleichbehandlungskommission ein und klagt einerseits gegen ihre fristlose Entlassung, Fellner klagt sie auf Unterlassung der Behauptung, er habe sie begrapscht.

Gegendarstellungen und ein weiteres Verfahren

Andererseits versucht auch sie gegen die Berichterstattung der Fellner-Medien über diese beiden Gerichtsverfahren beim Arbeits- und Sozialgericht Wien vorzugehen. Zwei Gegendarstellungen konnte sie bereits nicht rechtskräftig erwirken, vier weitere Gegendarstellungsbegehren betreffend die Berichterstattung über Zeugenaussagen im Verfahren wurden nicht rechtskräftig abgewiesen, DER STANDARD berichtete. Die Abweisungen erfolgten in drei Fällen aus formalen Gründen: Die inkriminierten Passagen könnten nicht von Scharf, sondern nur von den Zeugen und den von Fellner erwähnten Chefredakteuren, die im Gerichtsverfahren ausgesagt hatten, selbst beeinsprucht werden. Die vierte Abweisung betrifft die Frage, ob die Behauptung, Scharf habe keine Anzeige oder Klage gegen Fellner persönlich vor Gericht eingebracht, irreführend sei und in der Berichterstattung nicht auf das Verfahren bei der Gleichbehandlungskommission hätte verwiesen werden müssen. In den zwei nicht rechtskräftig gewonnenen Verfahren wurde Scharf auch in diesem Punkt recht gegeben.

Fellner sieht in der Vorgehensweise jedenfalls einen Erfolg. Immer mehr deute darauf hin, dass die Vorwürfe falsch seien, schrieb Oe24.at am Mittwoch. Ob die Vorwürfe der sexuellen Belästigung falsch sind, muss Fellner auch vor seiner Ex-Mitarbeiterin Katia Wagner beweisen. Sie klagt Fellner, weil er im STANDARD behauptete, ihre Vorwürfe seien "frei erfunden". Der erste Gerichtstermin ist für den kommenden Dienstag avisiert. (Laurin Lorenz, 12.8.2021)