Martin Fleischhacker, Geschäftsführer der "Wiener Zeitung".

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Wien – Die österreichische Journalistengewerkschaft sieht in der Verlängerung des Vertrages von Walter Hämmerle als Chefredakteur der "Wiener Zeitung" einen nicht rechtskonformen Vorgang seitens der Geschäftsführung, weil die Redaktion nicht einbezogen wurde. Wie berichtet, wurde am Dienstag bekannt, dass Hämmerles Kontrakt bis Ende des Jahres 2022 verlängert wird. Eike-Clemens Kullmann, Vorsitzender der Journalistengewerkschaft, kritisiert, dass die Geschäftsführung der "Wiener Zeitung" dabei das Redakteursstatut ignoriert habe. Demzufolge muss der Redaktionsbeirat "vor grundlegenden Entscheidungen der Geschäftsführung" eingebunden werden. Die Geschäftsführung wiederum spricht von einem "Missverständnis".

Redaktionsbeirat hat Anhörungsrecht

Kullmann betont im Gespräch mit dem STANDARD, dass es keineswegs darum gehe, die Verlängerung Hämmerles als Chefredakteur zu kritisieren, ganz im Gegenteil, sondern das Verhalten der Geschäftsführung, die das Recht der Redaktion ignoriere. In einem Passus aus dem Redaktionsstatut der republikseigenen "Wiener Zeitung" steht: "Der Redaktionsbeirat ist vor grundlegenden Entscheidungen der Geschäftsführung oder der Chefredaktion, welche die der Redaktion aus diesem Statut erwachsenden Rechte betreffen, zu informieren." Der Redaktionsbeirat wird von der Redaktionsversammlung alle vier Jahre gewählt. Er hat ein Anhörungsrecht. Im Falle Hämmerles sei das nicht geschehen.

Abstimmung nächste Woche

Tamara Arthofer, die Vorsitzende des Redaktionsbeirats, sagt, dass es nächste Woche dennoch eine Abstimmung über Hämmerle geben werde, wie es das Redaktionsstatut vorsehe. In einer geheimen Abstimmung in der Redaktionsversammlung könnte Hämmerle theoretisch mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit abgelehnt werden. Der Vorgang sollte vor der Bestellung über die Bühne gehen und nicht erst danach. Dass Hämmerle das Vertrauen entzogen wird, ist sehr unwahrscheinlich. Er genießt hohes Ansehen und wird als Bollwerk gegen die Wünsche der Politik gesehen.

Unterschrift Fleischhackers fehlt noch

Martin Fleischhacker, Geschäftsführer der "Wiener Zeitung", hatte die Belegschaft am Dienstag über die Wiederbestellung Hämmerles als Chefredakteur informiert. Fleischhacker ist derzeit im Urlaub. Prokurist Martin Mair erklärt dem STANDARD, dass es auf einem Missverständnis beruhe, dass sich die Redaktion übergangen fühlt. Den Vertrag habe nämlich bis jetzt nur Hämmerle unterschrieben, nicht aber Geschäftsführer Martin Fleischhacker. Die Öffentlichkeit hätte noch nicht über die Verlängerung informiert werden sollen. Formal sei Hämmerle ja noch gar nicht bestellt und die Redaktion werde bereits nächste Woche abstimmen – bevor Fleischhacker dann den Vertrag unterschreibt.

Um einen Chefredakteur oder eine Chefredakteurin zu verlängern oder zu installieren, muss die Geschäftsführung der "Wiener Zeitung" das Einverständnis des Eigentümers, also des Bundes und in dem Fall des Bundeskanzleramtes, einholen. Ende August 2021 steht auch die Verlängerung des Vertrages von Manager Martin Fleischhacker an. Er dürfte für weitere drei Jahre verlängert werden. Fleischhacker wurde mit September 2018 Geschäftsführer, Bundeskanzler war schon Sebastian Kurz (ÖVP), Gernot Blümel im Kanzleramt zuständiger Medienminister.

Als Tageszeitung vor dem Aus

Eike-Clemens Kullmann von der Journalistengewerkschaft moniert auch, dass Hämmerles Vertrag nur bis Ende des Jahres 2022 läuft und nicht wie ansonsten üblich über drei Jahre. Spätestens Ende 2022 könnte es nämlich ernst werden für die älteste noch erscheinende Tageszeitung der Welt. Wie berichtet, droht der gedruckten Ausgabe der "Wiener Zeitung" das Aus. Ende 2022 sollen die Pflichtinserate von Unternehmen wegfallen, die derzeit den Großteil der Einnahmen ausmachen. An einer Neuausrichtung der "Wiener Zeitung" wird gearbeitet und da scheiden sich derzeit die Geister zwischen der Geschäftsführung und der Redaktion.

Während Walter Hämmerle mit dem Forschungsverbund Cognion als Interessenten für eine strategische Partnerschaft plädiert, die mit dem Ziel geschlossen werde, den Fortbestand als Tageszeitung zu sichern, gehen die bisherigen Konzept der Geschäftsführung und von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in Richtung Datenservice für den Bund und Onlinemedium beziehungsweise Online plus Wochen- oder Monatstitel. (omark, 12.8.2021)