Ein sparsamerer Umgang mit Lebensmitteln würde auch weniger klimaschädliche Emissionen bedeuten.

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Es ist eine spannende Zeit für das Thema Lebensmittelverschwendung. Vergangenes Jahr wurden die nationalen Lebensmittelabfälle zum ersten Mal EU-weit gemessen. Ergebnisse davon verspricht man sich 2022, wobei dann die Arbeit erst losgeht. Von 2025 bis 2030 sollen über weitreichende Maßnahmen zur Prävention von Lebensmittelabfällen entschieden werden.

Das ist auch gleichzeitig höchste Zeit, sagt beispielsweise der WWF. "Rund ein Drittel der für den menschlichen Verzehr bestimmten Nahrungsmittel wird verschwendet beziehungsweise geht verloren. In der EU gehen jedes Jahr geschätzte 88 Millionen Tonnen Nahrungsmittel verloren beziehungsweise werden verschwendet – das entspricht 20 Prozent der insgesamt produzierten Nahrungsmittel beziehungsweise 173 Kilogramm pro Person", heißt es im Bericht von 2020.

Der STANDARD widmet sich in einer Serie der Kreislaufwirtschaft.

Auch in Österreich ist das Problem omnipräsent. Laut der Initiative Mutter Erde fallen in Österreich jährlich 760.000 Tonnen Lebensmittelabfälle und -verluste an. Diese Zahl beruht auf einer Erhebung des Österreichischen Ökologie-Instituts aus dem Jahre 2016. Das ist nicht nur ein ethisches Problem, sondern auch ein klima-ökologisches. Lebensmittelverschwendung sei für 3,3 Gigatonnen CO2-Emissionen verantwortlich, heißt es auf der Seite von Mutter Erde.

Ressourcenvergeudung

Doch was kann dagegen getan werden? Aus Konsumentensicht sei das gar nicht so schwer, sagt Lorraine Wenzel, Geschäftsführerin bei Zero Waste Austria. "Das fängt an mit einer Bewusstseinsänderung. Einem muss klar sein, wie viel Arbeit und wie viele Ressourcen in unseren Lebensmitteln stecken. Dann verschwendet man auch weniger."

Lebensmittelverschwendung passiert entlang der gesamten Wertschöpfungskette: In der Landwirtschaft, im Handel und bei den Konsumenten.
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Viele Probleme könnten bereits beim Einkauf vermieden werden: "Man muss sich als Erstes darüber im Klaren sein, wie viel man überhaupt braucht. Dass man beispielsweise keine Großpackungen kauft, wenn man allein wohnt, nicht auf solche Angebote reinfällt." Wenn es keine andere Möglichkeit als Großpackungen gibt, müsse die Art der Verwertung überdacht werden. "Größere Mengen auf einmal kochen und diese dann einfrieren", hat Wenzel einen Tipp parat. Auch müssten wir uns wieder über die Verwendbarkeit von Lebensmitteln im Klaren sein. "Man kann beim Brokkoli auch den Strunk mitessen, kein Problem".

Nicht alle Abfälle vermeidbar

Dabei gibt es natürliche Abfälle, die nicht vermeidbar sind, einige Obstschalen fallen darunter. "Dann bietet sich natürlich der Kompost an. Und wenn man keinen hat, dann lohnt es sich, einen Heimkompostierer anzuschaffen, beispielsweise eine Wurmkiste", schlägt Wenzel vor. Ein anderes Mittel seien beispielsweise auch Kompost-Toiletten, wie man sie bereits hie und da in Wien im Holz-Look vorfindet.

Die großen Probleme liegen aber woanders – eines davon in der Landwirtschaft. Laut dem "Driven to Waste"-Report des WWF gehen 15,3 Prozent weltweit produzierter Lebensmittel in der Landwirtschaft verloren. Wenzel sieht die Gründe dafür vor allem in der Absprache mit dem Handel: "Wegen verschiedener Normen und bestimmter Abgabemengen kommt es oft zu einer Überproduktion, die dazu führt, dass ein Teil des produzierten Essens einfach nicht verkauft wird."

Was an Abfällen unvermeidbar ist, kann kompostiert werden – zum Beispiel in einer Wurmkiste.
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Das andere große Problem liege im Handel. "Man kann abends um 19.59 Uhr in den Supermarkt gehen und findet definitiv noch das Regal voller Brot vor", kritisiert Wenzel.

Was getan wird

Gegen all diese Faktoren der Lebensmittelverschwendung gibt es verschiedene Aktionen, einige davon von Start-ups initiiert. Der Anbieter TooGoodToGo beispielsweise bietet Restaurantketten und Co an, übergebliebene Lebensmittel zu einem vergünstigten Preis anzubieten. Afreshed ist ein Service, der Lebensmittel, die es nicht in den Handel geschafft hätten, zu regional zusammengestellten Bio-Boxen zusammenstellt. "Das sind alles gute Initiativen innerhalb unseres Systems. Leider wird dieses System dadurch nicht verändert", sagt Wenzel.

Denn, und das ist der Ansatz des Zero-Waste-Vereins und auch des WWF: Die Vermeidung von Abfall ist die beste Option. Diese ist, vor allem derzeit noch, aber nicht immer zu realisieren. Deswegen gibt es auf industrieller Ebene beispielsweise den Wiener Biokreislauf, der unter anderem großflächige Kompostierung, die Verarbeitung zu Biogas oder als Biomasseverbrennung vorsieht. Der Worst Case ist dabei die reine Beseitigung, ohne Wärmerückgewinnung.

Das Naturhistorische Museum widmet sich dem Thema Lebensmittelverschwendung übrigens noch bis 5. September in der Sonderausstellung "Ablaufdatum". (Thorben Pollerhof, 13.8.2021)