Am Flughafen von Kabul werden Reisende willkommen geheißen. Dafür, dass das auch so bleibt, soll nach dem Willen der USA die Türkei sorgen. Da gibt es leider einige Probleme.

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Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat angekündigt, dass er sich mit den Führern der afghanischen Taliban persönlich treffen will. Dies solle dazu beizutragen, die Lage in Afghanistan zu deeskalieren. Das Treffen soll durch Katar, mit dem sowohl die Türkei als auch die Taliban gute Beziehungen haben, vermittelt werden.

Hintergrund dieses Vorstoßes ist, dass die USA die Türkei drängen, die Kontrolle über den Flughafen in Kabul zu übernehmen, wenn die USA Ende des Monats das Land endgültig verlassen. So soll wenigstens ein Flughafen ungeachtet der Kämpfe auf jeden Fall geöffnet bleiben. Bei seinem letzten Treffen mit US-Präsident Joe Biden im Juni hatte Erdoğan im Prinzip zugesagt, die Aufgabe zu übernehmen. Angesichts der vielen Konfliktpunkte zwischen beiden Ländern sah er darin offenbar eine Chance, den neuen US-Präsidenten für die Türkei zu vereinnahmen.

Hilfe von Verbündeten

Mittlerweile zeigt sich aber, dass das Versprechen viel schwerer einzulösen sein wird als gedacht. Da die Türkei aus Sicht Erdoğans ein muslimisches Land ist, war er von einer Zustimmung der Taliban ausgegangen. Man sei einander ja weltanschaulich sehr nahe, sagte Erdoğan zur Empörung der Opposition. Die Taliban stellten aber klar, dass sie in der Türkei nicht den muslimischen Partner, sondern das Nato-Mitglied sehen.

Während die USA nun zunehmend die Einlösung des Versprechens fordern, lässt Erdoğan hinter den Kulissen sondieren, unter welchen Bedingungen die Taliban doch noch eine türkische Präsenz akzeptieren würden. Eingebunden in diese Bemühungen sind sowohl Katar wie auch Pakistan. Da die Taliban noch immer darauf bestehen, dass alle ausländischen Truppen – also auch die türkischen – das Land verlassen, will Erdoğan die Frage nun auf höchster Ebene klären. "Wir brauchen eine Verständigung auf der Top-Ebene", sagte er CNN Türk.

Festmahl für Opposition

Für die Opposition ist das Vorhaben Erdoğans, sich nach Syrien, Libyen und Aserbaidschan nun auch noch in Afghanistan einzumischen, ein gefundenes Fressen. Die große Mehrheit der türkischen Bevölkerung hat angesichts der Wirtschaftskrise, der Corona-Pandemie und der Umweltkatastrophen kein Verständnis mehr für außenpolitische Abenteuer, die nicht nur viel Geld kosten, sondern wie im Fall Syriens auch noch dazu führen können, dass hunderttausende Flüchtlinge ins Land kommen.

Genau das droht nun mit Afghanistan. Bereits jetzt leben nach Schätzungen von Menschenrechtlern eine halbe Million Afghanen überwiegend illegal in der Türkei. Jeden Tag kommen weitere rund 2.000 ohne Papiere über die Grenze.

Nach Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Metropol fordern 70 Prozent der türkischen Bevölkerung, dass die Grenzen des Landes für Flüchtlinge dichtgemacht werden. Auch das nutzt die Opposition aus. Wie angespannt die Lage ist, zeigte sich in der Nacht auf Donnerstag, als ein Mob von mehreren Hundert Menschen in der Hauptstadt Ankara syrische und mutmaßlich afghanische Geschäfte und Wohnungen angriff und zerstörte. Auslöser war eine bislang unbestätigte Nachricht, dass ein 18-jähriger Türke von Syrern erstochen worden sein soll. (Jürgen Gottschlich aus Istanbul, 12.8.2021)