Brot backen wie vor 100 Jahren: Auch das ist Slow Food.

Foto: Kärnten Werbung / Sam Strauss

Es war eine Katastrophe, nicht nur für die 3300 Einwohner zählende Marktgemeinde Kötschach-Mauthen im Kärntner Gailtal; es bedeutete auch den wirtschaftlichen Niedergang für viele Umlandgemeinden im Südwesten von Kärnten. Mit der Eröffnung der Tauernautobahn vor gut 45 Jahren verschob sich der Urlaubsreiseverkehr, der bis dahin von Deutschland kommend über Felbertauern, Gailbergsattel und Plöckenpass nach Italien ging, um rund 70 Kilometer weiter nach Osten.

"Von einem Tag auf den anderen war hier nichts mehr los", erinnert sich Eckart Mandler, der als Jugendlicher im Sommer an der letzten Tankstelle vor dem Pass Dienst tat. "Viele Urlauber, die zur Adria gefahren sind, haben hier in der Gegend übernachtet und sind bei der Rückfahrt meist noch einmal eingekehrt. Es hat lange gedauert, bis die Betriebe einen Weg gefunden haben, neue Gäste und vor allem auch Dauergäste zu gewinnen."

Abwanderung als Gefahr identifiziert

Abwanderung war die Folge. Vor allem junge Menschen zogen auf der Suche nach einer Arbeitsmöglichkeit weg und kamen meist nur mehr zum Besuch der zurückgebliebenen Familien ins Tal. Bis sich ein paar "Spinner", wie Mandler sie "in positivem Sinn" nennt, zusammentaten und überlegten, was diese abgeschiedene Gegend auszeichnet.

Weil die Berge hoch sind und die Gegend abgeschieden ist, haben sich hier viele Kulturtechniken erhalten, die anderswo verlorengegangen sind. Ob dies Brot backen ist, spezielle Getreide-, Obst- oder Gemüsesorten anbauen oder Käse herstellen – all dieses Wissen und die Fähigkeiten, es anzuwenden, waren da. Da traf es sich gut, dass die Slow-Food-Organisation um Carlo Petrini in Bra (Piemont) nach Partnern Ausschau hielt, die über eine entsprechende touristische Infrastruktur verfügen sollten, um gemeinsam ein neues Projekt zu entwickeln.

Start mit 13 Betrieben

Gehört, getan. Die Region wurde 2015 zur ersten Slow-Food-Travel-Destination der Welt. Richtig losgelegt wurde dann ein Jahr später, 2016. 13 Betriebe waren dabei. Mandler, der bereits seinen Heimatort Irschen im Drautal zu einem "Kräuterdorf" aufgemotzt hat, ist als Projektleiter bei Slow Food Travel ziemlich früh eingestiegen und hat infolgedessen auch alle Aufs und Abs miterlebt.

Kärntner Kasnudeln, mit diversen Mixturen aus Stall und Kräutergarten befüllt, werden "gekrendelt". Diese Kunst wurde von Generation auf Generation übertragen.
Foto: kärnten werbung / daniel gollner

Inzwischen sind 30 Betriebe in der Region Lesachtal, Gailtal, Gitschtal und Weissensee Teil des Netzwerks. Darunter befinden sich Landwirte genauso wie Lebensmittelhandwerker oder gewerbliche Hersteller, aber auch Beherbergungs- und Gastronomiebetriebe. Voraussetzung für die Aufnahme in diesen illustren Kreis ist die strikte Einhaltung vorgegebener Kriterien. "Es muss die Kunst des ursprünglichen Handwerks angewandt werden", sagt Mandler. Zur Verdeutlichung verweist er auf den Bäcker Matitz in Kötschach-Mauthen, der bis vor wenigen Jahren noch konventionell gebacken hat.

"Jetzt bäckt er wieder Brot mit Getreide aus der Region – wenn es geht, vom Biobauern – und mit langen Teigzeiten, ohne heute übliche Backfertigmischungen, Treibmittel oder sonstige Helferlein."

Finanzielle Unterstützung

Angestoßen wurde die Initiative mit 200.000 Euro, die sich Slow Food Travel durch die Teilnahme an einer Ausschreibung des damaligen Wirtschaftsministeriums für ein Innovationsprojekt "nachhaltiger Tourismus" gesichert hat. Kärnten Werbung und die Region haben zusätzlich je 50.000 Euro ausgelegt, auch die beteiligten Betriebe und Gemeinden haben dazugezahlt.

Die Zahl der Slow-Food-Travel-Destinationen ist inzwischen auf fünf gestiegen, wobei die Region Lesachtal, Gailtal, Gitschtal, Weissensee weit vorn liegt. In Österreich hat sich das Kärntner Lavanttal für Slow Food Travel qualifiziert, in der Schweiz ist es der Kanton Wallis, in Südtirol das Villnößtal, das durch Corona aber etwas gebremst wurde.

Ziele gibt es gleich mehrere, die mit Slow Food Travel verfolgt werden. "Einmal, dass landwirtschaftliche Betriebe von der nächsten Generation weitergeführt werden, indem die Jungen, die sonst vielleicht wegziehen würden, jetzt eine Perspektive haben", sagt Mandler. "Zweitens, dass die Gastronomie regionaler wird und die Wertschöpfung in der Region bleibt. Drittens, dass damit touristisch neue Kunden angesprochen werden, die an Nachhaltigkeit und Kulinarik interessiert und auch bereit sind, einen etwas höheren Preis zu zahlen." Das Klimathema komme dem Vorhaben zweifellos entgegen, weil kurze Lieferwege und kurze Lieferketten integraler Bestandteil der Slow-Food-Philosophie seien.

Leitbetriebe als Multiplikatoren

Leitbetriebe wie das Biohotel Daberer, das von Beginn an dabei war, aber auch Spitzenköche wie Hannes Müller vom Hotel Forelle am Weissensee oder Manuel Ressi vom Bärenwirt in Hermagor spielten eine wichtige Rolle, sagt Mandler: "Sie sind Vorbilder für die Nachhaltigkeit im Kochen. Das, was regional zu bekommen ist, bringen die tatsächlich auf den Teller und ermutigen dadurch andere Gasthäuser und auch Konsumenten, wieder mehr mit Produkten aus der Gegend zu kochen."

Bis 2023 sollen noch bis zu 15 Betriebe zu Slow Food Travel stoßen. Das Jahresbudget wird nunmehr über Mitgliedsbeiträge bestritten und beträgt heuer rund 80.000 Euro.

(Günther Strobl, 13.8.2021)