Auch Sehenswürdigkeiten wie das Taj Mahal lassen sich in der virtuellen Immobilienwirtschaft ersteigern.

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Wien – Designermöbel, bodentiefe Fenster, Sonnenterrasse, Infinity-Pool – vor wenigen Wochen wurde das Luxusanwesen Mars House für mehr als eine halbe Million US-Dollar verkauft. Ein Schnäppchen, könnte man meinen, angesichts der steigenden Preise auf dem Immobilienmarkt. Doch das Haus existiert nicht physisch, sondern rein digital.

Man kann es nur in der erweiterten oder virtuellen Realität begehen. Der Käufer hat keinen Schlüssel, sondern lediglich einen digitalen 3D-Ordner zugeschickt bekommen. Die virtuelle Immobilie ist auch nicht im Grundbuch eingetragen, sondern über einen "non-fungible token" (NFT) verbrieft – ein fälschungssicheres Zertifikat, das auf einer Blockchain hinterlegt ist.

Hype um Kryptokunst

Seitdem im März im Auktionshaus Christie’s in New York ein digitales Gemälde für 69 Millionen Dollar versteigert wurde, ist auf dem Markt weltweit ein Hype um Kryptokunst ausgebrochen. Sammelkarten, Sneakers, Sofas – kaum ein Objekt, das noch nicht als NFT verkauft worden wäre. Sogar eine Sicherheitslücke ist schon als Token versteigert worden. Doch die Käufer haben es auch zunehmend auf virtuelle Grundstücke und Häuser abgesehen.

Vor wenigen Wochen hat der digitale Immobilienfonds Republic Realm in dem Online-Spiel Decentraland ein Grundstück mit einer Fläche von rund 66.000 virtuellen Quadratmetern für umgerechnet 900.000 Dollar erworben. Decentraland ist eine virtuelle Welt, wo Nutzer mit ihren Avataren verschiedene Orte besuchen und mit anderen Gamern interagieren. So kann man etwa in Spielkasinos mit Kryptowährungen zocken.

Das Auktionshaus Sotheby’s hat kürzlich im noblen Voltaire Art District des Spiels eine eigene virtuelle Galerie eröffnet.

Einkaufen für den Avatar

Mit "Second Life" gibt es bereits seit einigen Jahren ein Online-Spiel, bei dem User mit ihren Avataren mit einer eigenen Währung (Linden-Dollar) auf Einkaufstour gehen können. Häuser, Gärten, Schlösser, Bürogebäude – mit dem nötigen Kleingeld kann man alles kaufen, vorausgesetzt, man verfügt über Land.

Auf dem Höhepunkt 2007, als das Spiel mehr als eine Million Nutzer zählte, warben die Kandidaten im französischen Präsidentschaftswahlkampf um Wählerstimmen. Auf der "Ile Sarkozy" verteilten Wahlkampfhelfer zwischen Sonnenliegen und braun gebrannten Avataren virtuelle Pizzastücke und T-Shirts.

Die Chinesin Ailin Gräf, die damals mit ihrem Avatar "Anshe Chung" zehn Prozent des verfügbaren Lands besaß und von CNN als "Rockefeller von Second Life" bezeichnet wurde, ist in dem Spiel zur Millionärin geworden. Für eine virtuelle Strandvilla musste man damals rund 390 Dollar Miete im Monat bezahlen. Doch "Second Life" hat seinen Zenit längst überschritten, die Spieler und mit ihnen das Geld sind in andere virtuelle Welten bzw. Metaversen abgewandert.

Grundstückspreise steigen

Im Februar wurden im Computerspiel "Axie Infinity" neun Grundstücke für umgerechnet 1,5 Millionen Dollar in der Kryptowährung Ethereum veräußert. Der digitale Immobilienmarkt boomt. Die Käufer sind bereit, immer mehr Geld für Häuser und Grundstücke auszugeben. Die Folge: Die Grundstückspreise steigen immer weiter.

In der virtuellen Welt "Cryptovoxels" haben sich die Preise für eine Parzelle 2021 im Vergleich zum Vorjahr vervierfacht. Die virtuelle Immobilienwirtschaft ist hoch professionalisiert. So entwickelt Republic Realm in Kooperation mit Architekten eigene Bauprojekte in der digitalen Welt. Luxus-Apartments, Privatinseln, Shopping-Malls – auf der Webseite kann man sich wie bei einem Maklerbüro durch das Angebot klicken.

Zocken um den Eiffelturm

Auf der Plattform Super World können Interessenten sogar Sehenswürdigkeiten erwerben: Taj Mahal, Golden Gate Bridge, Eiffelturm – für 0,1 Ether (umgerechnet 158 Euro) ist man der Besitzer des Tokens.

Die Frage ist natürlich, ob dieses Rechtemanagement anerkannt wird. Was bringt eine Besitzrechtkarte, wenn das Monument verfällt? Warum gibt man so viel Geld für eine Immobilie aus, die man nicht einmal bewohnen kann? Die Antwort liegt auf der Hand: Virtuelle Immobilien sind ein Spekulationsobjekt, das hohe Renditen verspricht. Investoren kaufen virtuelle Häuser und Grundstücke in der Hoffnung, sie zu einem späteren Zeitpunkt mit hohen Gewinnen wieder zu veräußern.

Und das gelingt zum Teil auch. So hat ein Krypto-Investor in "Axie Infinity" ein Grundstück, das er vor einem Jahr für 300 Dollar erworben hatte, kürzlich für 28.000 Dollar verkauft – ein Gewinn von 9200 Prozent.

Attraktive Anlage?

In der virtuellen Welt ist der Boden keine begrenzte Ressource, und anders als im physischen Raum besteht keine Gefahr von Unwetterschäden. Man benötigt keine teuren Sanierungen, zudem fällt beim Kauf keine Grunderwerbssteuer an. Das macht virtuelle Immobilien für viele offenbar zu einem attraktiven Anlageobjekt.

Experten warnen allerdings, dass diese Investments hochriskant seien. Schon 2010 schrieb das Technikmagazin Wired von einer Blase auf dem virtuellen Immobilienmarkt. Damals wurden allein in "Second Life" 567 Millionen Dollar umgesetzt. Durch den Krypto-Boom sind inzwischen ganz andere Summen im Umlauf. Die Gefahr, dass die Blase platzt, steigt von Tag zu Tag. (Adrian Lobe, 13.8.2021)