Szene aus "El Infierno", in Mexiko war dieser Höllenreigen aus Armut, Aufstiegswunsch, Kartellgewalt, Blut und Drogen 2010 ein Kassenschlager.

Foto: Netflix

Brandneu ist nicht immer das Beste. Warten, bis Netflix auch einmal ältere Filme ins Programm nimmt, ist eigentlich nur nervig. Bis auf ganz wenige Ausnahmen. El Infierno gehört dazu. Diese Hölle ist in ihrer unerbittlichen, unentrinnbaren Mechanik ein zeitloses Meisterstück und immer sehenswert.

In Mexiko war dieser Höllenreigen aus Armut, Aufstiegswunsch, Kartellgewalt, Blut und Drogen 2010 ein Kassenschlager. Ich weiß viel zu wenig über Mexiko, um zu beurteilen, wie nah all das an der aktuellen Situation ist. Als Parabel darf diese "Hölle" aber sicher dienen. El Benny wird mit komplett leeren Taschen "never come back" nach 20 Jahren aus den USA abgeschoben und kehrt in sein ödes, wüstes Heimatdorf Sn. Arcangel (jemand hat am Ortsschild Narcangel daraus gemalt) zurück.

Er hat nichts. Arbeit hat nur, wer beim Kartell ist. Und so wird El Benny vom Opfer zum Täter, wird unausweichlich in das Drogen- und Mordgeschäft verstrickt und korrumpiert sich (aus guten Gründen) schnell zum Vorzeigemitglied der Narcotraficantes. Jedwede Moral lässt sich nicht mehr beurteilen, Gut, Böse – was ist was? Mariachi-Begleitung schafft die satirische Überzeichnung folkloristisch, immer größere Karren und Cowboy-Outfits rahmen den Weg ins Mausoleum.

Wer stellt das Ticket in die Hölle aus – Armut oder Macht? El Infierno stellt diese Frage offen. Regisseur Luis Estrada hat sich offenbar immer dagegen gewehrt, mit Quentin Tarantino verglichen zu werden. Dass die Gewaltigkeit der Bilder und das Tempo in Szenen der Unerträglichkeit zum Vergleich einladen, ergibt sich aber einfach. Sagte ich schon: mehrmals sehenswert – ach ja! (Karin Bauer, 13.8.2021)