Ein Einkaufszentrum mit Riesenparkplatz hier, eine Einfamilienhaussiedlung da, oben auf dem Berg noch ein Chaletdorf: In Österreich wird mit Boden umgegangen, als würde es unendlich viel davon geben. Die Folgen sind weithin sichtbar: Das Land ist völlig zersiedelt. Im Alltag bedeutet das: Weil der Supermarkt nicht mehr im alten Ortskern, sondern im neuen Gewerbepark an der Peripherie liegt, muss viel öfter ins Auto gestiegen werden.

In Österreich wird mit Boden umgegangen, als würde es unendlich viel davon geben.
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Zwölf Hektar Fläche werden pro Tag in Österreich verbraucht – viel zu viel, wie Raumplanerinnen und Raumplaner schon lange klagen. Auf 2,5 Hektar will Türkis-Grün die Zahl reduzieren. Die Krux: Raumplanung ist Ländersache, der Bund hat dabei so gut wie nichts mitzureden. Und über Flächenwidmungen entscheidet der Gemeinderat. Zwar gibt es auf Landesebene eine Aufsichtsbehörde, die ihm dabei auf die Finger schaut. Zumindest in der Vergangenheit wurde davon aber nicht immer Gebrauch gemacht, wie Gewerbe-Monstrositäten an Ortseinfahrten nahelegen.

Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger forderte im ORF-"Sommergespräch" daher jüngst, den Gemeinden ihre Kompetenzen bei der Flächenwidmung wegzunehmen, es brauche zudem ein Bundesrahmengesetz für Raumplanung. Die Abfuhr von Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) folgte prompt: Es könne ja nicht sein, dass "irgendjemand in Wien darüber entscheidet, welche Bauklasse ein Grundstück im Südburgenland oder im Ötztal hat", brachte sie als Totschlagargument, mit dem sich Stadt und Land vortrefflich gegeneinander ausspielen lassen.

Bloß zeigt der Blick aufs Land, dass die Gemeinden mitunter selbst auf dem völlig falschen Dampfer sind, was die Entwicklung ihrer Orte angeht. Das mag der Befangenheit der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister geschuldet sein, die Wählerinnen und Wähler nicht verprellen wollen. Oft werden Fehlentscheidungen aber auch schlicht und einfach aufgrund mangelnder Expertise getroffen. Bürgermeister bzw. Mitglieder des Gemeinderats haben von der komplexen Materie der Raumplanung wenig Ahnung und lassen sich von Investoren unterbuttern.

Bundessache

Dass Raumplanung zur Bundessache wird, ist in Österreich verfassungsrechtlich und kulturell schwer vorstellbar: Bürgermeisterinnen und Bürgermeister werden sich die Aufgabe nicht wegnehmen lassen. Aber vielleicht lassen sie sich ja – Achtung, Marketingtrick – entlasten? Durch regionale Bauämter mit Expertinnen und Experten etwa, die den nötigen Abstand vom Stammtisch haben und die Planungs- und Bautätigkeit für die Region managen. Und durch mehr regionale Abstimmung, Kommunikation und Zusammenarbeit über Gemeindegrenzen hinweg.

Es braucht mehr Einbindung der Bürgerinnen und Bürger, die mit vielen Entscheidungen in ihren Gemeinden selbst nicht glücklich sind. Das Beste daran: Diese Instrumente und Möglichkeiten und viele Positivbeispiele im ganzen Land gibt es bereits.

Es braucht aber vor allem ein radikales Umdenken. Es sollte nicht wahlentscheidend sein, wer den riesigen Gewerbepark am Ortsrand für seine Gemeinde an Land zieht – sondern wer klug mit dem knappen Gut Boden umgeht. Besonders angesichts der Klimakrise, in der sich Starkregen und Hitzetage heute schon häufen, ist unverbauter Boden wertvoll, weil er Wetterkapriolen abfedert. Bodenverbrauch geht uns alle an. (Franziska Zoidl, 12.8.2021)