SPÖ-Fraktionsführer Jan Krainer sucht nach Beweisen für türkis-blaue Korruption.

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Die FPÖ war der Musterschüler – zumindest zeitlich. Schon vergangenen Dienstag legte Fraktionsführer Christian Hafenecker den blauen Bericht zum Ibiza-Untersuchungsausschuss vor, der aus einem Frontalangriff auf die ÖVP und einer umfassenden Entlastung der eigenen Partei samt ihres Ex-Chefs Heinz-Christian Strache bestand.

Am Freitagvormittag legte dann die SPÖ nach. Auch sie konzentrierte sich in ihrem U-Ausschuss-Bericht auf die Volkspartei, bei einer Pressekonferenz ritt Fraktionsführer Jan Krainer heftige Attacken gegen Kanzler Sebastian Kurz und sein Umfeld. Die SPÖ habe durch den U-Ausschuss die klare Erkenntnis gewonnen, dass die türkis-blaue Politik "käuflich" gewesen sei, sagte Krainer.

Während des Ausschusses habe sich das "Bild vollkommen verändert", und zwar in puncto Verdachtsmomenten von der FPÖ hin zur ÖVP. Während es kaum Kommunikation zwischen Novomatic und Freiheitlichen gegeben habe, sah man laut Krainer, dass türkise Schlüsselfiguren wie der jetzige Finanzminister Gernot Blümel oder der Ex-Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, "auf Du und Du" mit Novomatic-Managern gewesen seien.

Krainer sieht eine "Familie", deren Machteinsatz "nicht normal für einen Rechtsstaat" sei. Die Chats zwischen Sebastian Kurz und Schmid, in denen sie sich über die Einschüchterung eines Kirchenvertreters äußern, sei "widerwärtiger Machtmissbrauch". Die SPÖ attestiert der ÖVP eine "Abgehobenheit", illustriert werde das durch Schmids Chatnachrichten über "Reisen mit dem Pöbel" oder Berichte über eine mit Steuergeld bezahlte Feier von Mitarbeitern des Finanzministeriums, bei der diese Gläser auf Passanten geschmissen haben sollen.

Der Umgang der ÖVP mit Spenden sei "amerikanischer Stil", es werde "gestückelt und verschleiert", sagte Krainer. Der U-Ausschuss ist für ihn "einer der erfolgreichsten aller Zeiten", die Justiz werde sich mit den Themen "noch länger beschäftigen". Politisch sei während des U-Ausschusses durch die ÖVP der "Trumpismus" in Österreich eingezogen, warnte Krainer. Ein Beispiel dafür sei, dass politischen Gegnern "Spitznamen" gegeben werden, etwa durch ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger.

ÖVP will Novomatic "in rechtes Licht rücken"

Auch Hanger sah eine "dramatische Verrohung" der Politik. "So wie wir agiert haben, schadet das der Demokratie", warnte der türkise Fraktionsführer. Die Verantwortung dafür sieht er naturgemäß bei Krainer und Neos-Fraktionsführerin Stephanie Krisper, die den Ausschuss "für ihre Profilierung missbraucht" hätten. Der "Unterstellungsausschuss" habe "Vorwürfe und Skandalisierungen" gebracht, die Volkspartei aus Sicht Hangers aber entlastet. "Es gab keinen Gesetzeskauf", sagte Hanger und verwies auf den Bericht des Verfahrensrichters Wolfgang Pöschl – dort attestierte dieser aber sehr wohl, dass eine Spende des Privatklinikbetreibers Premiqamed an die ÖVP zur "politischen Willensbildung" beigetragen haben könnte.

Hangers Fraktion hat offenbar analysiert, wie viele der gelieferten Chats aus dem Smartphone von Ex-Öbag-Chef Schmid – aus ihrer Sicht – konkret mit dem U-Ausschuss zu tun hatten und welche nur "abstrakt relevant" waren. Laut ÖVP sind nur 1,9 Prozent der für den U-Ausschuss ausgewerteten Chats jedenfalls vorzulegen gewesen; der Rest lediglich, weil er abstrakt mit dem Untersuchungsgegenstand zu tun habe.

"Das Thema Persönlichkeitsrechte spielt für uns jedenfalls eine große Rolle", verriet Hanger vorab dem STANDARD. Die ÖVP werde ihren Bericht aber auch dafür nutzen, "ins Leere gegangene Anzeigen und Sachverhaltsdarstellungen" aufzuzählen und die "Novomatic in ein richtiges Licht" zu rücken; Stichwort: wichtiger Steuerzahler, Arbeitgeber und Sponsor von Kulturinitiativen und karitativen Organisationen.

Hanger will künftig wieder klarer eingegrenzte Untersuchungsgegenstände: "Man sah auch bei den Befragungen, wie sehr thematisch hin und her gehüpft wurde." Er will außerdem eine klare Definition des Begriffs "abstrakte Relevanz", um Persönlichkeitsrechte bei vorgelegten Chats besser zu schützen.

Grüne: "Viele Belege für die mutmaßliche Käuflichkeit"

Auch die Grünen arbeiten mit Hochdruck an ihrem Bericht; Fraktionsführerin Nina Tomaselli hegte in der Vergangenheit ein besonderes Interesse für Privatisierungsüberlegungen rund um die ARE, die Tochterfirma der staatlichen Bundesimmobiliengesellschaft. "Zu Beginn des Ibiza-Ausschusses haben wir uns nicht erwartet, dass wir so viele Belege für die mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung finden werden. Haben wir aber", sagt Tomaselli. Entsprechend groß sei der Arbeitsaufwand für den Bericht gewesen: "Wir schlagen uns die Nächte um die Ohren und arbeiten bis zur allerletzten Minute."

Die Neos werden die Abgabe ihres Berichts als einzige Partei ohne Pressekonferenz begehen – das liegt auch daran, dass Fraktionsvorsitzende Stephanie Krisper noch auf Urlaub ist. Der Idee eines gemeinsamen rot-pinken Berichts wurde vonseiten der Neos eine Absage erteilt; zuletzt war in Zwischentönen bei Parteichefin Beate Meinl-Reisinger auch Kritik am U-Ausschuss zu hören. Von "Ibiza 2.0" ist sie kein Fan, im ORF-"Sommergespräch" plädierte sie für einen Corona-Ausschuss.

Debatte im Nationalrat

Die Fraktionsberichte werden nach ihrer Abgabe den erwähnten Auskunftspersonen vorgelegt, die dazu noch ergänzende Kommentare abgeben können. Dafür läuft wiederum eine zweiwöchige Frist. Offiziell beendet wird der U-Ausschuss dann durch die Vorlage der Berichte an den Nationalrat. Die nächste Plenardebatte ist für 22. September geplant, zurzeit ist Sommerpause.

Rasch danach könnte es dann zur Einsetzung eines neuen U-Ausschusses kommen; die SPÖ bräuchte dafür die Neos oder die FPÖ als Partner. Zu einer Fortsetzung des Ibiza-Ausschusses haben sich Rot und Blau offen bekannt, eine solche Koalition könnte jedoch innerhalb der SPÖ für Unruhe sorgen. (fsc, 13.8.2021)