Bei den einen geht es besonders schnell, bei den anderen setzt man mehr auf Frisches vom Bauern.

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Der war schnell. Beim Blitzlieferdienst Jokr dauert die Anmeldung inklusive Bestellung via App im STANDARD-Test etwa genauso lange, wie der Bote für die Lieferung braucht: knappe 14 Minuten.

Seit der Pandemie boomen Lieferdienste, die den Supermarkteinkauf vor die Tür stellen. Nach Gurkerl, Alfies, Mjam sowie den Onlineservices der stationären Platzhirsche Billa, Mpreis und Interspar ist mit Jokr nun der bereits siebente Anbieter auf dem österreichischen Markt aktiv. Damit setzt ein Verdrängungswettbewerb ein, der nicht nur über Preis und Angebot entschieden wird, sondern auch über die Schnelligkeit der Lieferung und die regionale Ausbreitung.

Jokr etwa wirbt damit, dass die Waren binnen 15 Minuten nach Bestellung beim Kunden vor der Tür stehen. Möglich wird das durch in Wien verteilte, mit 1500 Produkten ausgestattete sogenannte Dark Stores, wo Verpacker ("picker" im Firmenslang) die Waren bei Order zusammenstellen und dann Fahrradkuriere ("rider") losstarten. Das bringt Zeitvorteile – jedoch nur in einem begrenzten Radius. Während andere Services zumindest mehrere Ballungsräume in Österreich abdecken, kann man Jokr nicht einmal innerhalb des Wiener Gürtels flächendeckend nutzen.

Bis Ende August will man dann stadtweit verfügbar sein, ein Ausbauplan für die Bundesländer ist aber noch offen. Ähnlich eingeschränkt sieht es auch bei anderen Anbietern aus. Essenslieferant Mjam, der mittlerweile – wenn auch im Sortiment beschränkt – ebenfalls Supermarktprodukte an die Türe bringt, fährt derzeit nur die Hälfte der Wiener Bezirke an. Mjam kooperiert mit unterschiedlichen Handelsketten, die bereits bestehenden Logistikkapazitäten sollen die Kosten gering halten und kurze Lieferzeiten garantieren.

Bis zur Türschwelle

Wenig überzeugt von dieser Quick-Commerce-Lösung ist Maurice Beurskens, Chef des Mitbewerbers Gurkerl: "Für derart kurze Lieferzeiten sind die Lohnkosten in Österreich zu hoch und die vielen dafür nötigen Lager zu teuer." Das könne nicht nachhaltig sein, argwöhnt Beurskens. Der im Dezember 2020 gestartete Lieferdienst sieht seinen Wettbewerbsvorteil im Produktsortiment, etwa hochwertiges Fleisch von österreichischen Bauern.

In drei Stunden hat man auch hier die Bestellung auf der Türschwelle. 1500 Bestellungen werden täglich ausgeliefert, 3000 sollen es bis Ende des Jahres werden. Das Gros der Nutzer bestellt zweimal pro Woche – und dann in der Regel gleich größere Mengen. Der Mindestbestellwert ist mit 39 Euro bewusst hoch angesetzt, darunter sei es nicht rentabel, so Beurskens.

Eher auf die jugendliche Zielgruppe zielt Alfies, einer der ersten Onlinesupermärkte Österreichs. Innerhalb einer Stunde erreichen Bestellungen die Käufer – selbst am Sonntag. Der Mindestbestellwert beträgt 15 Euro, ab 30 Euro entfällt die Liefergebühr. Vor allem während der Pandemie ist das Sortiment des Onlinesupermarkts erheblich gewachsen, insgesamt sind die Preise etwas höher als im analogen Supermarkt. Das trifft jedoch auf alle Onlinemärkte zu. Im Gegensatz zu den meisten Mitbewerbern liefert Alfies auch außerhalb von Wien, etwa in Graz oder St. Pölten.

Neben diesen Marken gibt es noch zahlreiche andere Händler, die sich bereits in kleineren Nischen einen Namen gemacht haben. Beispiele wären etwa der Adamah Biohof, der für seine Bioprodukte bekannt ist, Hausbrot hat sich hingegen auf Frühstückslieferungen spezialisiert. Im Bereich Getränkelieferungen gibt es vor allem lokale Anbieter, etwa Dondurst in Wien oder Inndrinks in Innsbruck.

Kostenintensiver Markteinstieg

Aktuell fährt nur ein Anbieter in ganz Österreich aus: der Billa-Lieferservice des Rewe-Konzerns mit 9000 Produkten. "Seit Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020 verzeichnen wir rund 80 Prozent mehr Bestellungen als im Vorjahr", sagt Rewe-Pressesprecher Paul Pöttschacher. Neben Rewe ist von den etablierten Supermarktketten noch Interspar und im Westen Österreichs Mpreis im Onlineliefergeschäft aktiv. Der Diskonter Hofer prüft noch Zustellkonzepte und stellt derzeit nur größere Aktionsartikel zu.

In einem Land, in dem überproportional viele Supermärkte stationär vorhanden sind, stellt sich die Frage, wie viele Menschen tatsächlich ihren Wocheneinkauf online erledigen würden. Gurkerl-Chef Beurskens schätzt das Potenzial auf rund 50 bis 60 Prozent der städtischen Bevölkerung.

Der Einstieg in den Markt ist allerdings kostenintensiv, auch aufgrund geringer Margen und teurer Logistik. Hinter den Supermarktlieferdiensten stehen deshalb auch keine regionalen Händler, sondern große Investoren.

Gurkerl etwa ist ein Tochterunternehmen des tschechischen Start-ups Rohlik, das erst im Juli eine weitere Finanzierungsrunde in Höhe von 100 Millionen Euro erfolgreich abschließen konnte. Hinter Jokr steht der deutsche Unternehmer Ralf Wenzel, der bereits 2013 den Lieferdienst Foodpanda gründete, um ihn drei Jahre später gewinnbringend zu verkaufen.

An Alfies ist mit 20 Prozent Coca-Cola HBC Österreich als Investor beteiligt. Der nächste Big Player will der Blitzlieferdienst Gorillas werden, der zuletzt mit rund einer Milliarde Dollar bewertet wurde. Im März 2020 gegründet, sind die Gorillas bereits in 30 europäischen Großstädten aktiv und planen demnächst die Expansion nach Österreich.

Wachsender Markt

Dass es sich für die Schnelllieferanten lohnt, in die Großstädte zu drängen, wo sich auf engem Raum viele zahlungskräftige und bequeme Kunden finden, bestätigen Prognosen: Der Onlinehandel mit Lebensmitteln hatte im letzten Jahr Zuwachsraten von bis zu 70 Prozent, heuer könnte der Anteil des Liefergeschäfts am gesamten Lebensmittelhandel die Zwei-Prozent-Marke knacken. Das sieht erst einmal bescheiden aus. Allerdings werden in Österreich mit Lebensmitteln 43 Milliarden Euro im Jahr umgesetzt – zwei Prozent davon sind eine Menge Geld. (Alexander Amon, 14.8.2021)

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