Der neu gewählte ORF-Generaldirektor, Roland Weißmann, tritt mit Jahreswechsel sein Amt an.

Foto: Heribert Corn

Ein ehemaliger sehr enger Mitarbeiter von Gerd Bacher schreibt zum Thema "Türkise Übernahme des ORF": "Selbst Gerd Bacher, der (journalistisch) ein anderes Kaliber als Wrabetz oder Weißmann war, hat nicht geschafft, die Information von seinen (manchmal sehr konservativen) Vorstellungen zu überzeugen. Wie sollte es also Weißmann gegen Wolf, Thür, Bornemann, Kappacher und andere streitbare Köpfe gelingen, einen türkisen Spin durchzusetzen?"

In der Tat, die Art, wie Armin Wolf seinen künftigen Chef Roland Weißmann befragt hat ("Was können Sie besser als Wrabetz?" – fünf Sekunden lang kam keine Antwort), spricht für einen unerschrockenen Geist (Wolf verweist übrigens darauf, dass er seinerzeit Wrabetz genauso befragt hat). Der Hörfunk-Innenpolitiker Stefan Kappacher fragte Weißmann bei der Nachwahl-PK beinhart zu seinen Kontakten zum Kanzler-Medien-"enforcer" Gerald Fleischmann.

Parteipolitischer Einfluss

Manche Leser führen auch ins Treffen, dass der ORF immer unter parteipolitischem Einfluss oder Einflussversuchen war. Stimmt. Aber diesmal ist trotzdem etwas anders. Da ist zunächst die Natur der türkisen Truppe. Kurz und Co regieren mit Inszenierung und strenger Message-Disziplin. Sie wollen die komplette Kontrolle, nicht nur, aber vor allem bei den Medien. Kreisky, Vranitzky, Schüssel waren starke, gebildete, erfahrene Persönlichkeiten. Sie hatten einen Pressesekretär, nicht eine Kompanie. Und sie regierten mehr oder weniger in dem Bewusstsein, dass sie zwar eine Mehrheit hatten, aber es besser für Österreich (und sie selbst) sei, andere Kräfte (Sozialpartnerschaft) auch miteinzubeziehen. Dieses Bewusstsein fehlt Türkis.

Kreisky ernannte zum Chef der verstaatlichten Industrie einen schmissverzierten Deutschnationalen und zum Präsidenten der Nationalbank den früheren ÖVP-Finanzminister Stefan Koren. Das waren Kaliber. Türkis hingegen machte Thomas "Du bist Familie" Schmid zum Verstaatlichtenchef und einen blauen Ideologen zum Nationalbankpräsidenten. Das wirklich Problematische am neuen ORF-Chef Roland Weißmann ist, dass er quasi selbstverständlich als "Verbindungsmann zur ÖVP" angesprochen wird, auch in wohlwollenden Medien.

Roland Weißmann sollte so realistisch sein, seine Zweidrittelmehrheit nicht als überwältigenden Vertrauensbeweis ad personam zu werten. Es war die türkise Machtmaschine, die mit 37,5 Prozent (Nationalratswahl 2019) diese Zweidrittelmehrheit zustande brachte. Die anderen folgten der Macht, auch die Grünen. Sie lieferten – für einen Preis – die unschätzbare Unbedenklichkeitsbescheinigung des türkisen "Verbindungsmannes".

Kritische Geister

Ob der ORF türkis wird, ist in hohem Maße eine technokratische Angelegenheit, sagten interne Kenner. Ja, es gibt die oben erwähnten kritischen Geister, aber mit Umorganisieren kann man vieles machen. Der (von Wrabetz forcierte) zentrale Newsroom bietet die Möglichkeit, alle Kanäle des ORF (TV, Hörfunk, Online) gleichzuschalten. Kommt darauf an, ob es einen zentralen Chefredakteur gibt und wer das ist. Dann ist es wichtig, ob einzelne Abteilungen über genügend Personal verfügen, mit dem sie selbstständig arbeiten können – oder ob es ihnen ad hoc zugeteilt wird. Daran kann sich entscheiden, ob eine wichtige Story gemacht wird oder nicht.

Türkis arbeitet gerne mit solchen technokratischen Weichenstellungen. Damit kann man mit 35 Prozent (derzeitige Umfragen) die Republik dominieren. Das gilt nicht nur für den ORF, wie zu zeigen sein wird, aber jetzt geht es einmal um den ORF. (Hans Rauscher, 14.8.2021)