Ist der Blutdruck zu hoch, helfen Sport und Medikamente – oder Atemübungen.

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Erhöhter Blutdruck, egal ob hochnormal oder Bluthochdruck, bereitet keine Schmerzen und ist nicht sichtbar. Deshalb wird er oft unterschätzt und nicht ernst genommen. Doch er schädigt die innerste Schicht der Blutgefäße, das sogenannte Endothel, und damit auch Organe wie die Niere und die Augen. Zudem begünstigt er langfristig eine Altersdemenz und Herzschwäche.

Spätestens ein Bluthochdruck jenseits 140/90 Millimeter Quecksilber (mmHg) hat das Potenzial, Menschen durch einen Herzinfarkt oder Schlaganfall aus ihrem bisherigen Leben zu reißen, sie abrupt zum Pflegefall zu machen oder ihnen gar das Leben zu rauben. Deshalb ist es wichtig, frühzeitig aktiv zu werden, damit es erst gar nicht zum Bluthochdruck kommt.

Etwa 1,6 Millionen Menschen in Österreich, jeder Fünfte ab 15 Jahren leidet daran, wobei die Zahl der Betroffenen mit zunehmendem Alter steigt. In der Altersgruppe 75 plus gaben bei einer Befragung mehr als die Hälfte der Personen Bluthochdruck an. Die Dunkelziffer all jener, die ahnungslos sind, kommt hinzu. Es ist deshalb in jedem Alter sinnvoll, ab und zu den Blutdruck zu checken.

Die Lebensweise ist meistens schuld

Zu wenig Bewegung, falsche Ernährung und Übergewicht sowie chronischer Stress: Diese Risikofaktoren sorgen dafür, dass das Herz stärker gefordert wird, nicht so ökonomisch arbeiten kann oder, bei chronischem Stress, der Blutdruck über das vegetative Nervensystem erhöht wird. Zunächst steigt er auf sogenannte hochnormale Werte zwischen 130 mmHg und 139 mmHg. Wenn der Blutdruck in diesem Bereich liegt, sollte man aktiv werden, um erste Gefäßschäden zu vermeiden. Ab 140 mmHg spricht man dann laut Definition von Bluthochdruck.

Regelmäßiger Sport, also wöchentlich mindestens 2,5 Stunden Joggen oder eine andere Sportart, und Medikamente – konsequent eingenommen – können den Blutdruck absenken. Doch Ersteres schafft nicht jeder in den Alltag zu integrieren, Zweiteres hat Nebenwirkungen.

Wenn nun jemand bei hochnormalen oder leicht erhöhten Blutdruckwerten sagen würde: "Na dann probieren Sie es doch mal mit Atemtraining", wäre er bis vor kurzem wohl eher belächelt worden. Doch eine aktuelle Studie in einem US-amerikanischen Fachjournal belegt, dass spezielles Atemtraining, das täglich gerade mal fünf Minuten beansprucht, eine vielversprechende Option ist. Zumindest bei hochnormalen Werten und knapp über der Bluthochdruckgrenze.

Laut den Studienergebnissen von Daniel Craighead und Kollegen von der Fakultät für Integrative Physiologie an der University of Colorado in Boulder kann Atemtraining in diesem Bereich den Blutdruck nachhaltig um 9 mmHg absenken. Das ist so viel, wie es auch Bluthochdruckmedikamente vermögen. Würde man den Effekt mit Sport erreichen wollen, müsste man fünfmal die Woche täglich 30 Minuten zügig gehen oder walken. "Wir haben festgestellt, dass unser Atemtraining nicht nur zeiteffizienter ist als übliche Trainingsprogramme, der Nutzen hält auch länger an", sagt Craighead.

Und es könnte insbesondere für Frauen nach der Menopause interessant sein. In früheren Studien hatte sich gezeigt, dass Frauen ohne Hormontherapie nach der Menopause im Vergleich zu Männern viel weniger Nutzen aus aerobem Training für die Endothelfunktion zogen. Das Atemtraining bringt dagegen beiden Geschlechtern gleich viel Nutzen.

"Hantel"-Training für die Atemmuskulatur

Auf die Idee, das spezielle Atemtraining zur Senkung des Blutdrucks zu nutzen, brachte die US-Forscher ein Atemtraining, das bisher vor allem für Patienten mit chronischen Lungenleiden oder zur Rehabilitation nach schweren Atemwegserkrankungen eingesetzt wird. Sie trainieren ihre Atemwegsmuskulatur, indem sie durch ein Gerät in Smartphone-Größe (nur deutlich dicker) atmen, das dem Einatmen einen erhöhten Widerstand entgegensetzt. Die Forscher bezeichnen dieses Einatmen gegen hohen Widerstand als inspiratorisches Muskeltraining. Es trainiert Zwerchfell und Atemmuskulatur und beeinflusst Lunge, Herz und vegetatives Nervensystem positiv.

Deshalb vermuteten sie, es könnte auch dazu beitragen, den Blutdruck zu senken. An der sechswöchigen Studie hierzu nahmen 36 gesunde Erwachsene im Alter zwischen 50 und 79 Jahren teil. Ihr Blutdruck lag über dem als normal geltenden systolischen Blutdruckwert von 120 mmHg. Eine Hälfte der Probanden führte sechs Wochen lang täglich zu Hause fünf Minuten das inspiratorische Training für die Atemmuskulatur durch. Der Einatemwiderstand des Gerätes war so eingestellt, dass zwischen 65 und 75 Prozent der maximalen Sogkraft nötig waren, um genügend Luft zu bekommen. Der große Vorteil daran: "Das inspiratorische Training kann ganz bequem selbst vor dem Fernseher erledigt werden", so Craighead.

Die andere Hälfte der Probanden arbeitete mit einem Gerät, das einen Einatemwiderstand von 15 Prozent hatte (quasi als Placebo). Der Blutdruck dieser Kontrollgruppe veränderte sich nicht. In der anderen Gruppe sank er dagegen von durchschnittlich 135 mmHg auf 126 mmHg. Und diese Absenkung blieb für mindestens sechs Wochen nach Studienende erhalten.

Aber die Forscher fanden noch mehr: Sie stellten fest, dass sich zum einen die Dehnungsfähigkeit der Arterien um 45 Prozent verbessert hatte. Zum anderen war die Konzentration von Stickstoffmonoxid in den Gefäßwänden erhöht. Das führt dazu, dass sich die Blutgefäße besser weiten können. Allerdings ist die statistische Aussagekraft bei dieser kleinen Probandenzahl begrenzt. Deshalb wäre es sinnvoll, die Ergebnisse in einer Studie mit deutlich mehr Teilnehmern noch zu verifizieren.

Allerdings sollte das niemanden davon abhalten, bereits jetzt damit zu arbeiten. Ob die Atemtechnik auch bei Blutdruckwerten über 140 mmHg so gut oder überhaupt helfen kann, muss noch untersucht werden. Aus Sicht der Gesundheitsvorsorge ist es auf jeden Fall ratsam, bereits bei hochnormalen Werten aktiv zu werden, um eine Gefäßschädigung zu verhindern.

Ein bemerkenswertes Molekül

Das Training hat aber außer der Blutdruckabsenkung noch weitere positive Nebenwirkungen. Stickstoffmonoxid hindert Blutplättchen daran, zu verklumpen, was die Gerinnselbildung hemmt, die Bildung arteriosklerotischer Plaques an den Blutgefäßwänden erschwert und die Bildung von freien Radikalen vermindert. Es hat zudem eine entzündungshemmende Wirkung, weshalb es nicht verwunderlich ist, dass die in der Studie gemessenen Werte für das C-reaktive Protein durch IMST abgesenkt wurden.

Mit zunehmendem Alter verringert sich normalerweise die Produktion von Stickstoffmonoxid. Mit inspiratorischem Muskeltraining könnte es gelingen, dem entgegenzuwirken.

Für einen noch größeren Effekt sollte man das dann mit Sport kombinieren. Zu den ansonsten anzustrebenden Lifestylemaßnahmen gehören auch eine salzärmere Ernährung abhängig davon, wie salzempfindlich man ist, weniger Alkohol, Gewicht abnehmen und insgesamt mehr körperliche Aktivität im Alltag, etwa die Treppe statt den Aufzug zu nehmen und mit dem Fahrrad zum Bäcker zu fahren. (Gerlinde Felix, 15.8.2021)