Es ist keine kleine Gruppe, die es aus Sicht der Bundesregierung beim Thema Nummer eins derzeit noch zu umwerben gilt: 830.000 aller Wahlberechtigten wollen sich mit aktuellem Stand nicht gegen Corona impfen lassen. Weitere 250.000 Personen überlegen noch. Die Argumente für eine Impfung werden sowohl von Gesundheitsministerium, Medizinern und Virologinnen seit Monaten vorgetragen: Hoher Schutz vor einer schweren Covid-Erkrankung, vermindertes Risiko, sich überhaupt anzustecken, Solidarität gegenüber jenen, die sich nicht impfen lassen können – derzeit betrifft das etwa noch alle Kinder unter 12 Jahren.

Viele Gerüchte, die Impfung sei gefährlich, halten sich jedoch ebenso hartnäckig. Experten entkräfteten zuletzt die Angst, dass die Covid-Impfung Frauen unfruchtbar mache. Auf der anderen Seite mehren sich jedoch auch die Stimmen dahingehend, dass für Geimpfte und Genesene mehr Freiheiten gelten sollen als für jene, die nur getestet sind. Manch politischen Vorstoß in diese Richtung könnte man auch dahingehend deuten, dass es darum geht, Unschlüssige so verstärkt zum Impfen zu motivieren.

Will man die Pandemie ernsthaft in den Griff bekommen, muss die Durchimpfungsrate jedenfalls noch gesteigert werden – darüber ist sich die Wissenschaft weitgehend einig. Die vierte Welle ist schon im Anrollen, bis Herbst wird es vor allem darum gehen, verstärkt Jüngere von der Impfung zu überzeugen. Erst mit etwa 80 bis 85 Prozent könnte eine Herdenimmunität erreicht werden.

Eine Auswahl an Personen, die jene, die für die Impfung als Pandemiebekämpfungsmaßnahme eintreten, noch überzeugen müssen:

Die Freiheitsliebenden

Sie sind gesund – und sehen auch Alternativen

Illustration: Armin Karner

Peter und Katja leiden unter der Diskussion. Sie wollen sich nicht ausgrenzen lassen, sie sind keine Radikalen und Leugner, wie sie betonen. Sie wollen sich schlichtweg nicht impfen lassen. Katja ist Kinderärztin, Peter ist leitender Angestellter in einem internationalen Konzern, beide knapp 50.

Sie sehen sich in der politischen Mitte angesiedelt, er wählte zuletzt grün. Sie fühlt sich ihren Patienten verpflichtet und legt Wert darauf, unterschiedliche Meinungen zuzulassen. Mit dem rechten Rand, an den sie sich in der Debatte gelegentlich gedrängt fühlen, haben sie gar nichts zu tun, Esoteriker sind sie auch keine.

Ihre Sorge: "Der derzeitige Umgang mit einer Impfung hat zu einer Spaltung unserer Gesellschaft geführt, die mit einer Verurteilung und Gefahr der Ausgrenzung der Nichtgeimpften einhergeht. Statt auf eine eigene Meinungsfindung wird viel mit Verbreitung von Angst gearbeitet und letztlich auf indirekten Zwang gesetzt." Sie wünschen sich eine offene und wertschätzende Diskussion, auch mit kritischen Experten.

Peter will sich nicht impfen lassen – weil es nicht notwendig sei, wie er sagt. Er ist pumperlgesund, gehört keiner Risikogruppe an, hält alle Vorsichtsmaßnahmen ein, schützt sich und andere. Er nennt keinen wissenschaftlichen und keinen ideologischen Grund: "Ich habe vor dem Virus keine Bedenken", sagt er, "ich sehe keinen Grund, mich impfen zulassen." Dafür wolle er sich nicht rügen lassen.

Seine Frau sagt: "Für mich gibt es noch viele zu klärende Aspekte zu den verwendeten Impfstoffen. Bevor wir sie in der breiten Bevölkerung einsetzen, sollten wir viel besser über ihre Wirkungsweise und auch Langzeitnebenwirkungen Bescheid wissen. Insbesondere Kinder, mit ihrem niedrigen Risiko, schwer zu erkranken, und Schwangere sollten dem auf keinen Fall ausgesetzt sein. Diese Meinung macht mich nicht zu einer verantwortungslosen Person."

"Wir werden hier in ein Eck gedrängt, das tut mir weh", sagt Peter. Auch im Freundeskreis sei das Impfen mittlerweile ein heikles Thema. "Impfen wird uns als einzig mögliche Variante verkauft. Das ist es nicht", sagt Katja. Es gebe mehrere Optionen, "wir sollten über alle Maßnahmen diskutieren". Eine Spaltung der Gesellschaft könne nicht das Ziel sein. (Michael Völker)

Die Entschlossene

Lebt ökologisch, misstraut der Pharmaindustrie

Illustration: Armin Karner

Lisa hat eine schicke Wohnung in einem angesagten Viertel in Wien, sie geht in ihrem Job auf, verdient gut, die Kinder sind an der Schwelle zum Erwachsenwerden. Politisch steht sie eher links, sie setzt sich sehr bewusst mit Ernährung und ihren Lebensumständen auseinander. Lisa betont, keine generelle Impfgegnerin zu sein. Bei Corona verweist sie darauf, dass dies ein völlig neuer Impfstoff sei, mit dem es noch keine Erfahrung gebe. "Ich esse bewusst keine gentechnisch veränderten Lebensmittel, ich möchte mir auch nichts einschießen lassen, was sich in meine Gene einschreibt", sagt die 40-Jährige, die als selbstständige Unternehmerin in ihrer Branche höchst erfolgreich ist. "Ich weiß nicht, was das mit meinem Körper tut."

Sie habe null Angst vor der Krankheit, sieht sich nicht als Risikopatientin, also gibt es für sie auch keinen Grund, sich dem Risiko der Impfung auszusetzen. Dem Argument, dass sie mit einer Impfung auch andere schütze, hält sie entgegen, dass auch Geimpfte das Virus übertragen können. Sie hält es politisch für höchst bedenklich, "dass man so bedrängt wird, sich etwas reinschießen zu lassen, von dem man nicht weiß, was es auslöst". Der Druck, der hier auf die Nichtgeimpften ausgeübt werde, sei im Verhältnis zu Gefährdung nicht stimmig. Speziell der Impfung bei Kindern und Jugendlichen, die grundsätzlich nicht gefährdet seien, steht sie skeptisch gegenüber, da man insbesondere bei jungen Mädchen zu wenig über Folgen in Bezug auf die Fruchtbarkeit wisse. (Michael Völker)

Die Ängstliche

Ortet Zwang und Diktatur

Illustration: Armin Karner

Eigentlich, so erzählt Klara, eine redselige Frau in ihren Sechzigern, versuche sie immer, alles richtig zu machen. "Ich spare, trenne meinen Müll, lebe gesund", sagt sie. Aber impfen lassen will sie sich nicht – gegen gar nichts, und schon gar nicht gegen das Coronavirus: "Da geht es nur ums Geld, das ist keine Demokratie, das ist eine Diktatur", sagt sie – ausgerechnet als sie in einem Einkaufszentrum vor der eigens eingerichteten Impfstation steht.

Sie hat ihren jungen Neffen hergebracht, der ist auf der Suche nach einer Impfdosis Pfizer, erzählt Klara. Sie selbst werde aber nicht hineingehen: "Lieber sterbe ich, als das ich mich impfen lassen." Erstens sei sie in Pension, und zweitens müsse sie ja nicht unbedingt in Restaurants gehen – wofür dann die Impfung? Und drittens wolle sie selbst über ihren Körper entschieden, meint Klara.

Aber: "So wie die Situation jetzt ist, ist das ein Impfzwang durch die Hintertür." Was aber wäre, wenn die Entscheidung völlig frei wäre, wenn es für Geimpfte keine anderen Regeln geben würde als für alle anderen? Selbst dann würde sie sich nicht impfen lassen. Sie habe keine Sorge vor dem Virus, dafür aber große Angst vor Spritzen, sagt sie. (Gabriele Scherndl)

Die Spirituell-Radikale

Prinzipieller Widerstand

Illustration: Armin Karner

Emma, eine 43-jährige Berlinerin, lebt seit neun Jahren in Wien – und von der Mindestsicherung. Die Mutter von zwei Kindern ist ausgebildete Restaurantfachfrau. Sie lässt sich nicht impfen, da "die Impfung laut meinen Recherchen eine Gentherapie ist. Außerdem gibt es nur eine Notzulassung, da wundere ich mich schon."

Emma setzt auf ihr Immunsystem: "Ich bin gesund und vertraue auf mein Immunsystem. Ich lasse mir sicher nichts von außen reinknallen." Ein Solidaritätsgedanke zieht bei der Berlinerin nicht: "Ich habe die Verantwortung für mich und meinen Körper ganz allein."

Von der Maskenpflicht ließ sie sich per ärztlichem Attest befreien. "Die Maske ist ein Symbol der Unterdrückung, ein Aspekt totalitär-diktatorischer Gedanken. Es ist nicht bewiesen, dass dieser Lappen im Gesicht etwas bringt. Er symbolisiert für mich ,Klappe halten‘." Sie sei aus der DDR und daher gelte für sie "nie wieder Faschismus", doch die Maskenpflicht sei "faschistoid" und eine "Folter an uns Menschen, die den Menschenrechten klar widerspricht".

Einmal sei sie am Bahnhof Liesing mit einer Nagelschere attackiert worden – der Angreifer sagte nur das Wort "Maske!". Eine ältere Dame wünschte ihr, sie solle "an Corona krepieren", ein anderer Öffibenutzer wollte sie in einem "Umerziehungslager" sehen. Sollte jemand Angst haben, ziehe sie sich aus Respekt ein Tuch vor Mund und Nase. Emma sagt, sie sei nicht politisch und gehe auch nicht wählen, doch das habe eher spirituelle Hintergründe: "Ich bin einfach Emma, die auf dieser Erde wohnt." (Walter Müller)

Die Abwägende

Verunsichert wegen Kinderwunsches

Illustration: Armin Karner

Sarah hat sich mit der Impfung eingehend beschäftigt – und sich dagegen entschieden. Als Impfgegnerin will sie sich nicht bezeichnet wissen: "Jeder, der möchte, soll sich impfen lassen. Ich tue das auch gegen andere Krankheiten wie zum Beispiel Mumps, Masern, Röteln."

Wieso also nicht gegen Covid? Erstens seien die Langzeitfolgen nicht abschätzbar, sagt Sarah, die im Vertrieb arbeitet. Eine große Rolle spiele für sie ihr Alter, "weil der Kinderwunsch ein Thema ist". Bei Frauen seien nach der Impfung Zyklusprobleme festgestellt worden. "Einen unausgeglichenen Hormonhaushalt kann ich jetzt sicher nicht brauchen."

Sarah wägt ab zwischen einer möglichen Covid-Erkrankung und negativen Folgen durch die Impfung: "In meiner Altersgruppe waren in Österreich nur 86 Frauen auf der Intensivstation, man kennt aber ihre Vorerkrankungen nicht." Die Wahrscheinlichkeit, dass sie im Falle einer Erkrankung dort lande, sei also sehr gering. "Gleichzeitig kenne ich mittlerweile ein paar Leute, die Impfnebenwirkungen hatten."

Der Vater einer Freundin habe in der Zeit nach der Impfung einen Schlaganfall gehabt. "Er ist zwar über 60 – aber das ist schon ein Wahnsinn." Und die Impfung schütze ja auch vor Ansteckung nicht. In ihrem Freundeskreis seien sie und ihr Mann die Einzigen, die sich nicht impfen ließen. (Lara Hagen, 15.8.2021)