Roland Weißmann.

Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Zum Thema Bestellung des ORF-Generaldirektors gab es diese Woche einiges zu sagen. Weiter konnten dabei die Ansichten gar nicht auseinanderklaffen als die zwischen dem Herausgeber des "Profil" und dem Gastbeiträger Gerhard Strejcek in der "Presse". Christian Rainer schrieb von einer Vergewaltigung der Pressefreiheit und meinte: Am Dienstag bestimmt der Bundeskanzler den neuen ORF-Chef. In einer Demokratie dürfte es das nicht geben. Anders der Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Wien, der das Thema eher von der formalen als von der medienpolitischen Seite anging. Das ORF-Gesetz spricht nicht von Wahl, sondern von "Bestellung". Dennoch ist es nicht abwegig, eine demokratische Bestellungsform zuzusinnen, die auch höherrangigen Grundsätzen entsprechen sollte.

Rainer erweiterte die kognitive Dissonanz, indem er sich keine höherrangigen Grundsätze zusinnen lassen wollte, sondern in aller Abwegigkeit meinte: Formal wird der ORF-Generaldirektor zwar von Stiftungsräten gewählt, aber dieser Vorgang hat mit einer Wahl so viel zu tun, wie es die Bestellung von Fidel Castro zum Staatspräsidenten in Kuba hatte. Was Rainer veranlasste, Fidel ins Spiel zu bringen, wo Orbán näher gelegen wäre, blieb ebenso ungeklärt wie die Zusinnung des Universitätsprofessors an die Leserschaft der "Presse": Einen Generaldirektor kann man nur mit Zweidrittelmehrheit des Stiftungsrates abberufen, daher wird nur eine Neuwahl frischen Wind bringen. Heute scheint die Zeit dafür gekommen zu sein.

Scharmützel

Das wird man sehen. Zunächst sah man erste Scharmützel zwischen Armin Wolf und Nobert Steger sowie, aufgestiegen aus den Tiefen des Servus TV, Michael Fleischhacker. Es ist frustrierend, schrieb Wolf laut "Österreich" am Sonntag auf Twitter, wenn der Ausgang der Wahl schon feststeht, ohne dass Stiftungsratende zuvor sich öffentlich zu Wahlabsichten geäußert hätten. Den Frustrierten ließ Fleischhacker wissen: "Es ist immer frustrierend, wenn einem ein System, von dem man lange profitiert hat, plötzlich nicht mehr nutzt."

Das wollte sich Wolf nicht zusinnen lassen. "Ich habe zwar keine Ahnung, wie ich bisher vom Bestellungsmodus, den ‚Freundeskreisen‘ und Abhängigkeiten im Stiftungsrat, die ich seit ewig öffentlich kritisiere, ‚profitiert‘ haben könnte, aber du hast dir sicher irgendwas bei dem Unsinn überlegt. Was auch immer ..." Von diesbezüglichen Überlegungen Fleischhackers, was auch immer, ist bisher nichts bekannt.

Schnoferlbesitzer

Dass auch das Wort "Volksbegehren" fiel, war nicht zu vermeiden. Zunächst etwas zögerlich bei Armin Thurnher im "Falter". Braucht es ein neues ORF-Volksbegehren? Es braucht Widerstand! Bei der vom Falter angestoßenen Initiative im Jahre 2009 zog man in den liberalen Medien Profil und Standard ein Schnoferl und wollte sich nicht hinter dem Zwerg vom Falter einreihen. Heute hätte er im größten Schnoferlbesitzer der Branche einen begeisterten Gefolgsmann. Nach ORF-Wahl: Volksbegehren und GIS-Streik!, forderte Wolfgang Fellner in "Österreich".

Wie er schon den angedachten Impf-Hunderter auf einen Impf-Tausender aufstocken wollte, will er Thurnher mit einem GIS-Streik übertrumpfen. Zurückhaltend beurteilt er hingegen die Grünen. Die Grünen stechen heute nicht nur Alex Wrabetz, sondern allen unabhängigen Journalisten im ORF das Messer in den Rücken – und verkaufen die Unabhängigkeit des ORF wie ein Polit-Judas für zwei Direktoren-Posten. Sie entlarven sich damit endgültig als die korrupteste und charakterloseste Partei dieses Landes. Statt sich einfach an Fellner ein Beispiel zu nehmen.

Jeannée jubelt

Es gab aber auch versöhnliche Stimmen in den Medien. Genau genommen – eine. Michael Jeannée verfiel ob der Entscheidung für Kurz in religiöse Verzückung. Hallelujah, Roland Weißmann!, jauchzte er in der Donnerstagausgabe. Ich heiße Sie willkommen. Nach Ihrer Kür zum neuen ORF-Chef durch 24 (!) von 35 Stiftungsräten ist meine Freude "viel", "sehr viel" sogar. Weil trotz linken Sperrfeuers aus allen Rohren gegen Ihre Bestellung die "Sache" wie am Schnürchen lief. Für Sebastian Kurz. Und das ist gut so.

Verständlich der Jubel, denn was muss er gelitten haben. Nach 15 Jahren öffentlich-rechtlicher Verhöhnung der konservativen ORF-Kundschaft. Nach 15 Jahren schwarzer Ohnmacht. Mit der es sich nun hat. Denn Kurz & Co. werden sich penibel auf Ihren Amtsantritt am 1. Jänner 2022 vorbereiten. Mit Ihnen, ihrem Mann. Da kann Weißmann noch so oft beteuern, kein türkises Parteibuch zu besitzen. (Günter Traxler, 14.8.2021)