Elon Musk ist, bezogen auf sein kolportiertes Schlafverhalten, mit einer angeblichen Schlafzeit von zwei Stunden an manchen Tagen ein wahrer “Uberman“ (Übermensch). Eine fiktionale Fortschrittsaura, die der aktuelle Kanzlerkandidat der CDU/CSU, Armin Laschet, nicht annähernd ausstrahlt. Beim Treffen mit dem Giga-Milliardär wirkt er wie so oft etwas farblos. Dennoch hofft er wahrscheinlich, dass etwas von der kalifornischen Energie doch noch auf den Wahlkampf der CDU überspringt. Der kommende Urnengang könnte ein zentraler Stimmungstest für das Corona-Management der politischen Verantwortungsträger werden und die einstige Macht der CDU/CSU auf viele Parteien verteilen. Es fragt sich, wer am Wahltag der Nutznießer einer möglichen Niederlage der Kanzlerpartei sein könnte. Ein Blick in die psychodynamische Glaskugel.

Kann er Kanzlerin?
Foto: AFP/DANIEL ROLAND

Armin Laschet und das Kanzlerpotenzial

Man sollte den eher bescheiden auftretenden Mann aus Nordrhein-Westfalen nicht unterschätzen. Immerhin hat er sich beim innerparteilichen Machtkampf gegen den “Wannabe“-Strauß, Markus Söder, durchgesetzt. Eine Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen sieht die Union mit 26 Prozent in Führung, die Sozialdemokraten sowie die Grünen gleichauf mit jeweils 19 Prozent, die FDP würde ebenso wie die AfD elf Prozent der Stimmen erreichen und die Linke sieben Prozent. Weitere sieben Prozent entfielen auf sonstige Parteien. Doch bis zum Wahlabend kann sich noch einiges drehen. Wirklich großen Aufwind verspürt aktuell keine Bewegung. Dies könnte die Chance des eindimensional wirkenden Laschet sein, dessen Profil von der Außenwirkung mit jenem von Merkel in ihren Anfangsjahren durchaus vergleichbar ist - bis sie sich als Kohls Mädchen emanzipierte und im Zuge der Parteispendenaffäre von ihrem einstigen Förderer distanzierte. Auch der neue Unions-Kanzlerkandidat wird eventuell unterschätzt. Seine scheinbar größte Stärke ist die Durchschnittlichkeit.

Annalena Baerbock zwischen Schein und Sein

Anfangs groß gehypt, war der Prozess der Desillusionierung und das Kontrastphänomen zwischen Ist- und Sollwert bei der Grünen Spitzenkandidatin umso gravierender. So dozierte sie in einem gemeinsamen Interview mit Robert Habeck, dass sie eher aus dem Völkerrecht käme, während er aus dem Bereich Hühner, Schweine und Kühe melken stamme. Die Mikroexpressionen oder in diesem Fall eher Gesichtsausdrücke auf der Makroebene ihres Parteikollegen sprachen Bände. Unabhängig von den Patzern und Defiziten der Grünen-Chefin sind deren Themen wie ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit generell wesentlich stärker en vogue als für Abgase, gegen soziale Gerechtigkeit und für gesellschaftlichen Konkurrenzkampf zu stehen. Mit einer umweltverträglichen Tragetasche der Grünen wird man höchstwahrscheinlich seltener schief angeschaut als mit einem Button der AfD. In manchen neuen Bundesländern in Deutschland könnte dies mittlerweile anders sein. Dazu aber später.

Ingwer Wurzel

Olaf Scholz: Die Charisma Granate

Gewissenhaft, brav und eher nicht aus der Masse hervorstechend - auf kaum einen Kandidaten trifft diese Beschreibung so gut zu wie auf den SPD-Mann Scholz. Hier unterbietet er - provokant formuliert - in Bezug auf sein Charisma sogar Laschet. Kein Vergleich mit dem einstigen “Cohiba“-Kanzler Gerhard Schröder, der nun als Wirtschaftsanwalt und in verschiedenen Positionen als Wirtschaftslobbyist malocht. Die Schwäche der Grünen spielt dem trockenen Finanzminister in die Hände. Von Umfragewerten aus vergangenen Zeiten als bedeutende Volkspartei unter Willy Brandt kann Scholz aber nur träumen.

Christian Lindner: Die Kapitalismus Keule

Der Chef der FDP ist der Archetypus des Neoliberalen. Ehrgeizig, leistungsorientiert und endlos motiviert. Einer der wenigen, der mit seinem Leistungs- und Wettbewerbsdenken die neue Volkspartei locker in den Schatten stellt. Im Kontrast zu “#ThermiLindner“ wirkt sogar Sebastian Kurz wie ein Gewerkschaftsvertreter. Die FDP ist die Protestpartei für jene, die sich im politischen Mainstream zwischen CDU/CSU, SPD und Grünen nicht gut aufgehoben fühlen. Ob ihre Bäume bei den Wahlen in den Himmel wachsen wird sich zeigen.

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AfD: Die deutsche Mutation der FPÖ

Unter dem biederen Ökonomen Bernd Lucke anfangs noch als die Partei der Universitätsprofessoren und Euro-Kritiker wahrgenommen, wurde die Bewegung schnell zu einer Art FPÖ für deutsche Verhältnisse. Corona-Skeptiker und Migrationsgegner haben in der AfD eine Heimat gefunden, die ihnen keine andere etablierte Partei bieten kann. Das reale Potenzial der AfD wird sich erst am Wahlabend zeigen. Auffällig ist, dass die Partei in den neuen Bundesländern wesentlich stärker ist, als in den ökonomisch besser situierten alten. Um in der Liga der Top-3-Parteien mitspielen zu können, mangelt es der rechten Bewegung an kreativer Bandbreite. Doch Frust und Zorn können in schwierigen Zeiten ein starker Motivator sein. Der AfD fehlt es zusätzlich an wirklich breitenwirksamen Spitzenkandidaten, die nicht nur den harten Kern der Systemverlierer erreichen und die Fähigkeit besitzen, gemäßigtere Wählergruppen in großem Umfang anzusprechen.

Die Linke: Für eine Handvoll Lafontaine

Leider steht das Paar Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknecht nicht an der Spitze der Partei “Die Linke“. Die intellektuelle Substanz und die verbale Potenz beider wären äußerst vorteilhaft für die Wertegemeinschaft. Vor allem die alternative Meinung und Sichtweise Lafontaines zu den Akteuren und Verantwortungsträgern bezüglich der Corona-Pandemie würde den Maßnahmenskeptikern eine mögliche andere Heimat als die AfD bieten. Mit der momentanen Spitze, bestehend aus Janine Wissler und Dietmar Bartsch, dümpelt sie bei sieben Prozent in den Umfragen. So wird sie in der aktuellen Krise, in der viele um ihre Existenz bangen, als Aktie unter ihrem Wert gehandelt.

Abgerechnet wird zum Schluss

Am 26. September werden wir sehen, wohin die Reise in Deutschland geht. Der Effekt auf Österreich und die Erwartungen unserer Parteienvertreter ist nicht zu unterschätzen. Sollte die SPD einen Achtungserfolg einfahren und die Union hohe Verluste erleiden, dann würde sich die SPÖ unter Rendi-Wagner, ob berechtigt oder nicht, im Aufwind sehen. Ein signifikanter Wirkungstreffer der AfD hätte zur Folge, dass sich die Kickl-FPÖ in ihrer Linie bestätigt fühlt. Die Glaskugel des Bloggers prophezeit, dass die Realität wohl eher ein weiteres Zerbröseln der ehemaligen Volksparteien Union und SPD sein wird und die Wählerstimmen sich auf die anderen politischen Gruppierungen verteilen werden, mit der Konsequenz von immer schwieriger werdenden Regierungsbildungen. (Daniel Witzeling, 23.8.2021)

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