Zusätzlich zu Kameras gehören zum Überwachungsnetz der Behörden auch Audiosensoren, die algorithmenunterstützt Geräusche identifizieren sollen.

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Nachdem Ende Mai ein 25-Jähriger durch einen Kopfschuss getötet wurde, suchten Ermittler in Chicago nach dem möglichen Täter. Gefunden glauben sie ihn in jenem Mann zu haben, der den Verstorbenen ins Krankenhaus brachte: Der 64-jährige Michael W., der selbst behauptet, dass jemand aus einem vorbeifahrenendem Auto geschossen hatte, berichtet "Vice". Die Polizei begründet das damit, dass das Auto von W. an jenem Ort und zu jenem Zeitpunkt stehengeblieben sein soll, wo das Opfer erschossen wurde. Sie beruft sich auf Überwachungssystem, das in der Stadt zum Einsatz kommt – Shotspotter, welches anhand von Mikrofonen Schüsse durch Waffen und ihren Standort erkennen und Warnmeldungen aussenden soll.

Fingiert

Das Problem dabei: Wie Gerichtsdokumente, die "Motherboard" einsehen konnte, offenlegen, dürfte die Beweislage durch die Software nachträglich fingiert worden sein. So hätten 19 Sensoren ein Geräusch identifiziert, das ungefähr eine Meile entfernt zu angeblichen Tatort entstanden war. Dieses wurde allerdings als Feuerwerk erkannt. An dem fraglichen Wochenende hatten zahlreiche Menschen gegen den Mord an den US-Amerikaner George Floyd protestiert, der grausam von einem Polizisten getötet worden war. Dabei wurden auch Feuerwerke gezündet.

Allerdings änderte ein Analyst von Shotspotter nachträglich die Klassifizierung des Geräusches zu einem Schussgeräusch. Und einige weitere Monate später änderte ein anderer Analyst die Koordinaten zu jenem Standort, an dem W. angeblich den 25-Jährigen umgebracht haben soll. Der Verteidiger des Beschuldigten fordert nun, dass die Software wissenschaftlich geprüft wird, um zu erörtern, ob sie als Beweismittel verwendet werden darf.

Narrativ fortführen

Shotspotter wird in über 100 Städten eingesetzt, in Chicago generiert sie rund 21.000 Warnmeldungen im Jahr. "Motherboard" zufolge gebe es Hinweise darauf, dass die Analysten regelmäßig auf Wunsch von Polizeibehörden Meldungen überarbeiten. Teilweise erscheine es, als passiere das, um Beweise zu schaffen, die ein bestimmtes Narrativ stützen sollen. (red, 15.8.2021)