Es geschieht nicht zum ersten Mal, dass Journalistinnen und Journalisten zum Spielball zwischen politischen Playern werden. Zuletzt kam es zwischen Moskau und London zu einem solchen Kräftemessen: Die Entscheidung der russischen Behörden, das per Monatsende ablaufende Visum der langjährigen BBC-Korrespondentin Sarah Rainsford nicht zu verlängern, weist jedenfalls alle Merkmale solcher politischer Manöver auf.
Die De-facto-Ausweisung kann als Antwort Russlands auf die Weigerung Großbritanniens gesehen werden, dem vom Kreml gesteuerten Sender Russia Today (RT) eine Lizenz zu erteilen; außerdem als Reaktion auf angeblichen "ständigen Druck auf Mitarbeiter vieler anderer russischer Medien" – wie aus der Moskauer Regierungszentrale zu vernehmen ist. Von Druck auf westliche Journalisten kann ihrerseits Rainsford berichten, die seit 22 Jahren für die BBC arbeitet: Sie sprach am Wochenende von einem "zunehmend schwierigen und repressiven Umfeld" – nicht nur für russische, sondern neuerdings auch für westliche Journalistinnen und Journalisten.
Lange Zeit seien Vertreterinnen und Vertreter der ausländischen Medien weitgehend von den Einschränkungen der Pressefreiheit ausgenommen gewesen; das aber ändere sich nun, schilderte die Journalistin, die bisher rund ein Drittel ihres Lebens in Russland verbracht hat.
Rainsford studierte Sprachen, mit Schwerpunkt Russisch und Französisch, an der britischen Eliteuniversität Cambridge, wo die begeisterte, aber nach eigenen Angaben wenig talentierte Hobbyfußballerin 1992 ihren Abschluss machte. Ein Studienjahr verbrachte sie auch in der zweitgrößten russischen Stadt Sankt Petersburg.
22 Jahre in Russland
Rainsfords journalistische Laufbahn begann bei Bloomberg TV, für die BBC ging sie zum ersten Mal im August 2000 nach Moskau, kurz nachdem Wladimir Putin erstmals russischer Präsident geworden war. Nach Etappen in der Türkei, in Spanien und auf Kuba kehrte sie nach Russland zurück, was die Journalistin, die aus ihrem Alter und ihrem familiären Umfeld ein Geheimnis macht, als ihre "Traumdestination" beschrieb.
Dieser Traum dürfte sehr bald enden – womöglich für immer. BBC-Generaldirektor Tim Davie appellierte noch einmal an Moskau, die Entscheidung zu überdenken, versicherte aber auch, dass sein Sender "weiterhin unabhängig und unparteiisch über Ereignisse in der Region berichten" werde – auch ohne Rainsford im Büro Moskau. (Gianluca Wallisch, 15.8.2021)