Flüchtlinge sollten in Nachbarländern Afghanistans unterkommen, fordert Innenminister Nehammer.

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Kabul/Wien – Außenminister Alexander Schallenberg und Innenminister Karl Nehammer (beide ÖVP) planen eine Afghanistan-Konferenz mit den zentralasiatischen Nachbarländern des Krisenlandes und einigen EU-Ländern, um möglichst zielsicher Hilfe vor Ort bieten zu können. Die Konferenz ist für Ende August oder Anfang September in virtueller Form geplant, wie eine Sprecherin Schallenbergs mitteilte. Trotz der Lage in Afghanistan ist Nehammer weiter gegen einen Abschiebestopp.

Ziel der Konferenz sei es, die Region und die unmittelbaren Nachbarstaaten Afghanistans zu stärken, hieß es aus dem Innenministerium. "Hilfe vor Ort kann nur im Gleichklang mit den Partnern vor Ort funktionieren," erklärte Schallenberg in einer Stellungnahme. Nehammer ergänzte: Um die illegale Migration in Richtung Europa – und somit auch nach Österreich – einzudämmen, brauche es einen "ganzheitlichen Ansatz". Das vordringliche Ziel müsse es daher sein, Afghanistans Nachbarstaaten bei der Bewältigung dieser "schwierigen Aufgaben" zu unterstützen. Es gelte, diesen Staaten zu helfen und gemeinsam mit ihnen zu verhindern, dass Schlepper Profit aus dem Leid der Menschen schlagen.

Iran richtet Pufferzonen für Flüchtlinge ein

Der Iran hat indessen angesichts des Eroberungszugs der Taliban in Afghanistan Pufferzonen für Flüchtlinge eingerichtet. "Wir haben schon vor zwei Monaten mit einer neuen Flüchtlingswelle aus Afghanistan gerechnet und daher schon damals mit der Einrichtung von provisorischen Pufferzonen an den drei Grenzübergängen begonnen", sagte ein Sprecher des Innenministeriums am Sonntag

Die drei Pufferzonen an den Grenzübergängen im Nord- und Südosten des Landes sollen den Flüchtlingen vorerst Schutz und Sicherheit bieten. "Sobald sich die aktuelle Situation wieder entspannt hat, können die Flüchtlinge dann von dort aus wieder in ihre Heimat zurückkehren", sagte Sprecher Hossein Qasemi. Wegen der akuten Corona-Krise im Iran werden laut Qasemi auch Vertreter des Gesundheitsministeriums in den Pufferzonen tätig sein.

Für den Iran ist die Flüchtlingswelle aus Afghanistan nicht neu. Das Land hatte nach der sowjetischen Invasion in Afghanistan 1979 über drei Millionen afghanische Flüchtlinge einreisen lassen.

Nehammer will weiter abschieben

Nehammer hat zuletzt seine strikte Haltung untermauert. Erst am Samstag hat er Bemühungen um einen weiteren Abschiebeflug angekündigt. "Wir müssen so lange abschieben, wie es geht", sagte der Minister. "Wir arbeiten an einem Flug – in Kooperation mit Afghanistan. Wenn ein solcher möglich wird, dann werden wir das auch tun. Und wenn das nicht gelingen sollte, müssen wir über Alternativen nachdenken."

Auch nach dem Vorrücken der Taliban bis in die Vororte der Hauptstadt Kabul blieb man am Sonntag im Innenministerium bei dieser Haltung. Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) hingegen hat bereits vergangene Woche erklärt, dass er Abschiebungen derzeit "faktisch und rechtlich" nicht für möglich hält – es sei "so gut wie unvorstellbar, dass in den nächsten Wochen Abschiebeflüge organisiert werden", hatte Kogler zu "oe24.TV" gesagt.

Stimmen aus der Opposition

Ähnliches wie die im Iran eingerichteten Pufferzonen fordert auch SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner: "Die EU muss sofort in der Region nach Partnern suchen und sichere Zonen für all jene schaffen, die vor den Taliban fliehen. Nur durch die Einrichtung sicherer Zonen vor Ort können wir verhindern, dass sich afghanische Flüchtlinge auf den unsicheren und oft auch tödlichen Weg nach Europa machen und dabei in die Hände von Schleppern geraten."

Die Neos forderten die Einberufung des Außenpolitische Ausschusses des Nationalrats mit der afghanischen Botschafterin und NGOs, die vor Ort sind. Außerdem solle der Außenminister "eine rasche, entschlossene Antwort auf EU-Ebene nicht behindern", sagte der Neos-Sprecher für Äußeres, Helmut Brandstätter.

Kritik an der Initiative für die Konferenz kam am Sonntag von der FPÖ. Was es brauche, sei "ein Asylstopp in Österreich und ein echter Grenzschutz. Das kann man schnell umsetzen. Dafür braucht es keine internationale Konferenz, sondern nur einen Innenminister, für den die Österreicher an erster Stelle stehen und der sich auch gegenüber der EU etwas traut", so die FPÖ.

Nach UN-Angaben sind seit Mai 250.000 Afghanen auf der Flucht, seit Anfang des Jahres 400.000. Intern Vertriebene sind in großer Zahl nach Kabul gereist und campieren dort etwa in Parks und auf öffentlichen Plätzen. Die islamistischen Taliban setzen unterdessen ihren Eroberungszug fort und sind am Sonntag in die Hauptstadt vorgedrungen, Präsident Ashraf Ghani hat das Land bereits verlassen. (red, APA, 15.8.2021)