Nicht nur die Fäuste beim Gruß, auch die Meinungen prallen aufeinander: Wiens Stadtrat Hacker (rechts) will Ungeimpfte gezielt benachteiligen, Gesundheitsminister Mückstein bremst.

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Von der Infektionsrate bis zur Belegung der Intensivstationen in den Spitälern: Die entscheidenden Kennzahlen in der Corona-Pandemie sind derzeit schlechter als vor einem Jahr. Das schreckt einen Teil der regierenden Politiker auf. Schließlich hallt noch die Erfahrung aus dem letzten Herbst nach: Damals schlitterte das Land nach einem sorglosen Sommer in eine massive Covid-Welle.

Vorgeprescht ist am Sonntag Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker. Der SPÖ-Politiker kündigte Verschärfungen an – allerdings nur für einen Teil der Bevölkerung. "Niemand will mehr einen Lockdown sehen", sagte er in der "Kronen Zeitung", deshalb führe kein Weg daran vorbei, nur mehr geimpften Menschen den Zugang zu gewissen Einrichtungen zu gewähren. Hacker denkt dabei etwa an Sportstätten und andere Freizeiteinrichtungen: "Die Geimpften werden eine andere Lebenssituation finden als die Nichtgeimpften."

Dem Minister geht es zu schnell

Aus den Landesregierungen der Steiermark, Kärntens und Tirols sowie der Ärztekammer erntete Hacker Zuspruch. Die Maßnahme sei "absolut zu unterstützen", meinte Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres. "Solange die Impfquote nicht erhöht wird, ist dies angesichts der steigenden Zahlen eine berechtigte und wichtige Maßnahme, um weitere Lockdowns zu verhindern."

Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein reagierte hingegen reserviert. "Die Einschränkung des öffentlichen Lebens derzeit nur für Geimpfte halte ich bundesweit derzeit für nicht spruchreif", sagte der Grün-Politiker in der "ZiB 2" des ORF. Der Gesundheitsminister: "Ich glaube, das ist eine Frage des Zeitpunkts."

Ja, die epidemiologische Lage verschärfe sich seit ein paar Tagen. "Aber derzeit zu unterscheiden, Ungeimpfte und Geimpfte, auf breiterer Basis, das würde glaube ich schon zu einer Spaltung der Gesellschaft führen", argumentiert Mückstein: "Ich glaube, das ist in der derzeitigen Lage epidemiologisch nicht vertretbar." Wenn die Regierung die Ende August auslaufenden Corona-Regeln durch neue ersetzt, werde es also keine Unterscheidung zwischen Geimpften und Ungeimpften geben.

Wien kündigt Alleingang an

In Wien vielleicht dennoch. Zumindest hat Hacker angekündigt, notfalls nicht auf die Bundesregierung warten zu wollen: Die Bundeshauptstadt könnte die selektiven Verschärfungen im Alleingang verhängen. Nicht so die anderen Länder, die nach einer gemeinsamen Vorgangsweise rufen.

Was die Bundesregierung stattdessen gegen steigende Infektionszahlen tun will? Abgesehen von Aufklärung und "niederschwelligen" Angeboten, um die Impfbereitschaft zu steigern, deutet Mückstein ein Comeback der weitgehend abgeschafften Maskenpflicht an: "Masken indoor" sei eine effektive Maßnahme, die auf breite Akzeptanz stoße. Außerdem kann sich Mückstein vorstellen, die Gültigkeit der nicht allzu präzisen Antigentests als Eintrittsticket von 48 auf 24 Stunden zu reduzieren: "Wir müssen weiter an kleinen Schrauben drehen."

Im September sollen jedenfalls alle Impfwilligen vollimmunisiert sein, meint der Gesundheitsminister – auch Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren. Er rechnet damit, dass eine Durchimpfungsrate von "zumindest 70 Prozent" erreicht wird, wie er in der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der Neos festhält. (red, 16.8.2021)