Stefan Schlögl, Mitgründer und Verlagsleiter der Edition 5Haus.

Foto: Edtion 5Haus / Christopher Mavric

Wien – Man müsse schon ein wenig "irre" sein, um mitten in der Corona-Pandemie einen Verlag zu gründen, sagt Stefan Schlögl: "Aber wir haben uns auf die Storyline geeinigt, dass wir den Urenkerln irgendwann einmal eine gute G’schicht erzählen können." Die gute G'schicht heißt Edition 5Haus und ist dort angesiedelt, wo Patina und Hochglanz parallel existieren und wo charmanter Wiener Grind auf Pop-up-Stores trifft: in Rudolfsheim-Fünfhaus, dem 15. Gemeindebezirk, am Henriettenplatz.

Der Ort ist auch Programm und soll der Motor für Innovation sein: Aus Alt wird Neu, aus Neu wird Alt. Denn die Edition 5Haus möchte nicht einfach nur ein reiner Buchverlag sein, sondern tritt an, um "Geschichte(n) neu zu erzählen", erklärt Schlögl: "Was uns unglaublich nervt, sind Genregrenzen. Hohe Literatur hier, Unterhaltung dort. Kinder auf der einen, Erwachsene auf der anderen Seite. Sind das jetzt Texte mit Fotos oder Fotos mit Texten?" Als Beispiel nennt Schlögl Homers "Odyssee", die Kinder und Erwachsene gleichermaßen fasziniere: "Weil sie Erzählung, Reisebericht, Entwicklungsgeschichte und ganz generell eine fantastische Story ist."

Interaktive Büchererlebniswelten

Ein Vehikel für die Geschichten sind 3D-Magazine für Bücher, Verlage oder Buchmessen. Reale Räume werden mittels 3D-Scan digital erfasst, um interaktive Bücherlebniswelten zu inszenieren: "Analog trifft digital, sozusagen. Mit Autorenvideos, Infos zu den Büchern, Hintergrundstorys, Verlagsinfos und Shop." Umgesetzt wurde die Idee bereits bei der Kinderbuchwelt 2020, einer virtuellen Messe, an der mehrere Verlage teilgenommen haben. "Das Grundkonzept von Magda Hassan und Tobias Pichler war, nicht bloß Messestände zu scannen, sondern die Verlage und deren Novitäten mit einer Story zu verbinden und für jeden eine kleine Erzählwelt erstehen zu lassen, die jederzeit von jedem Ort zugänglich ist."

Die 3D-Magazine sollen aber nicht nur auf die Buchwelt beschränkt werden, sondern bieten vielfältige Einsatzmöglichkeiten, so Schlögl, etwa für Stadtgeschichten: "Interessanterweise haben sich mehrere Kommunen gemeldet, die die Geschichte ihrer Stadt oder ihrer Region in einer digitalen 3D-Umsetzung und mit den Figuren aus der Asagan-Welt erzählen lassen wollten."

Aus der Asagan-Reihe.
Foto: Asagan

500 Jahre alte Drucke in neuem Kontext

Die "Asagan-Welt" ist ein wichtiger Baustein im Portfolio des neuen Verlags. Die Kinderbuchreihe Asagan verbindet seit 2016 in sechs Bänden echte Geschichte mit fiktiven Abenteuern. Bis zu 500 Jahre alte Drucke werden mit modernen Figuren zu einer Geschichte verwoben und liebevoll ineinandermontiert. Lokalkolorit von einst trifft auf Heldentum von heute.

Die Geschichten heißen dann beispielsweise "Hippiezzaner in der Hoftanzschule" oder "Eine kleine Naschmusik". Am Ende der Bücher gibt es einen Lexikonteil, in dem Fakten und Hintergründe versammelt sind. "Wir lösen das also schon auf, aber kurzweilig, nicht oberlehrerhaft. Ich glaube, die Eltern lieben das noch mehr als die Kinder", sagt Schlögl. Zum Kosmos gehören neben den Büchern noch Workshops oder Lesekonzerte. In der Asagan-Tradition erscheint im Herbst auch das Kochbuch "Bäckermaus & Donaustrudel" – mit 22 traditionellen Rezepten, die neu erzählt werden.

Die kreativen Köpfe hinter Asagan sind Wolfgang Hartl, Designer, Illustrator und Entwickler, und Magda Hassan, Buchhändlerin und Autorin. Sie gehören neben Verlagsleiter Stefan Schlögl, langjähriger Journalist bei STANDARD, "Zeit", "Autorevue" oder "Datum", und Tobias Pichler, Kulturmanager, zum Gründerteam der Edition 5Haus.

V. li.: Magda Hassan, Stefan Schlögl, Wolfgang Hartl und Tobias Pichler.
Foto: Edtion 5Haus / Christopher Mavric

Neben den 3D-Magazinen und der Asagan-Reihe als verlegerischer Basis soll das Programm sukzessive in Richtung "erzählerisches Sachbuch und zeitgenössische Fotografie" ausgeweitet werden. Heimat für Fotografie und "herausragende Texte" ist etwa das Kleinformat "Vienna Mini Press": ein kompaktes Format (Hardcover, 11,5 mal 13 Zentimeter), das schnelles Publizieren ermöglichen soll. Im Herbst erscheint hier das Buch "Russian Circus. Zauber und Zerbrechlichkeit" des Fotografen Reiner Riedler und des Autors Jens Lindworsky.

"Fiktive Abzweigungen"

Weiterer Fixpunkt im herbstlichen Verlagsprogramm ist das Buch "Napoleon schläft mit Mona Lisa. Die ganze Wahrheit über den Kaiser der Fake News" von Wolfgang Hartl und Stefan Schlögl. "Geschichte und die Einordnung von historischen Ereignissen sind ja nie etwas Abgeschlossenes. Gleichzeitig scheinen aber die Abläufe und Jahreszahlen wie in Stein gemeißelt dazustehen. Genau an diesem Widerspruch setzt das Spiel mit historischen Wahrheiten an", sagt Schlögl: "Auf den ersten Blick ist die Umgebung vertraut, man kennt zumindest Eckdaten, etwa zu Kaiserin Sisi oder Napoleon, doch dann kommt das große 'Was wäre wenn?'." Und das eröffne unendliche Chancen, Geschichte weiterzudenken: "Deshalb sind ja Mockumentaries, also fiktionale Dokumentarfilme, so erfolgreich. Man nimmt bekanntes historisches Personal und lässt es fiktive Abzweigungen nehmen und gemeinsam mit modernen Heldinnen und Helden neue Abenteuer bestehen."

3D-Magazine hin, digitales Storytelling her: Im Mittelpunkt solle "trotz der Bringschuld an die Aufmerksamkeitsökonomie" immer das "Kulturgut Buch" stehen, erklärt Schlögl: "Papier, Haptik, Geruch, das gehört zum Lesegenuss einfach dazu, und nicht, snackable Content durchzuswipen." (Oliver Mark, 18.8.2021)