Gut, dass man sich den horrorinduzierenden Post-Industrial-Sound von Puce Mary beim Unsafe+Sounds in Gesellschaft anhören kann, falls man Angst bekommt.

Foto: Kasia Zacharko

Gäbe es sie nicht schon, müsste man die Wotrubakirche für das Unsafe+Sounds Festival fast erfinden. In seiner atmosphärischen Brutalität eignet sich der Sakralbau in Liesing wie kein anderes Gebäude für die erhabenen bis verstörenden Klänge, die Kuratorin Shilla Strelka am Mittwoch und Donnerstag dort im Innen- und Außenraum versammeln wird.

Experimentell oder avantgardistisch nennt man behelfsmäßig, was man bei Unsafe+Sounds hören kann. Noch opaker, aber vielleicht zutreffender wäre es, die "gefährlichen Sounds" als Ergebnisse eines dringlichen Musikschaffens zu bezeichnen. Soll heißen: Viele der im weiten Feld der Elektronik umtriebigen Künstlerinnen und Künstler verbindet nicht so sehr ein Genre, sondern das Vertonen eines individuellen wie gesellschaftlichen Unbehagens.

Alle Acts: Der Mix zum Festival

Genre ist aber insofern ein gutes Stichwort, als sich nicht einmal die jeweiligen Acts auf ein einziges beschränken lassen. Der Schwede Anthony Linell zum Beispiel produziert einerseits kühlen Ambient, melancholisch und meditativ, hat aber auch ein Händchen für ganz unverkopften Techno der alten Schule. Womit er den Wotruba-Beton zum Klingen bringen wird, wird sich am Mittwoch, dem Eröffnungstag des Festivals, weisen, bei dem auch Kollegin Lucy Railton aufspielen wird. Die an Musique concrète, also der kompositorischen Arbeit mit vorgefundenem Soundmaterial, interessierte britische Cellistin wäre eine gute Wahl, müsste man das Öffnen der Büchse der Pandora vertonen: unheilschwangere Sounds, wo das Ohr hinhört.

Auch im Club nicht sicher

In der zweiten Woche des Unsafe+Sounds steht dann ein Locationwechsel an, der in den Club führt. Wer allerdings glaubt, im Wiener Werk nun der Gefahr entronnen zu sein, wird dort gleich von der dänischen Post-Industrial-Musikerin Puce Mary bestraft.

Strelka hat es aber nicht nur geschafft, unter erschwerten Pandemiebedingungen Acts aus dem Ausland nach Wien zu holen, sondern bildet auch ab, was sich bei den heimischen Progressiven tut: Live zu hören sind zum Beispiel Dino Spiluttini oder Gischt, das Soloprojekt der Ventil-Records-Chefin Ursula Winterauer, mit Krautrockerin Conny Frischauf hält dann auch Gesang Einzug in das sonst fast rein instrumentale Festival. Diversen Spielarten von Techno widmen sich vom DJ-Pult aus Misonica oder DJ Gusch. Jaja, man kann also eh auch tanzen.

Nicht, dass in den letzten sieben Jahren der Existenz des Festivals gesellschaftlich alles in Butter gewesen wäre, trotzdem wirkt das Unsafe+Sounds dieses Jahr vor dem Hintergrund der Pandemieerfahrung, der erlebten Unsicherheiten und allgemeinen Erschöpfung besonders aktuell. Dass das kulturell interessierte Publikum in den letzten Monaten permanent mit leicht Verdaubarem entertaint wurde, mag ein Vorteil für ein kompromissloses Festival wie das Unsafe+Sounds sein, für das es nun einmal Konzentration braucht. (Amira Ben Saoud, 16.8.2021)