Eine deutsche Transportmaschine auf dem Weg nach Afghanistan.

Foto: AFP / Bundeswehr / Martin Buschhorn

Es ist ein gewaltiges Unterfangen der europäischen Staaten, ihre Staatsbürgerinnen und -bürger aus Afghanistan auszufliegen. Für die deutsche Bundeswehr ist es wohl der größte Evakuierungseinsatz ihrer Geschichte. Mehrere Transportflugzeuge und Fallschirmjäger fliegen Betroffene von der afghanischen Hauptstadt Kabul zunächst ins usbekische Taschkent. Von dort werden die Menschen mit zivilen Maschinen nach Deutschland geflogen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte im CDU-Bundesvorstand am Montag, dass es wohl um 10.000 Personen gehe. Es handelt sich dabei nicht nur um Deutsche, sondern auch um afghanische Verbündete und ihre Familien. "Wir evakuieren nun in Zusammenarbeit mit den USA die Menschen. Ohne die Hilfe der Amerikaner könnten wir so einen Einsatz nicht machen", sagte die Kanzlerin.

Unterdessen wurde Kritik am verspäteten Einsatz der Bundeswehr laut. Wie das ARD-Hauptstadtstudio berichtet, soll die deutsche Botschaft in Kabul bereits seit Wochen das Außenministerium vor der Gefährdung ihres Personals gewarnt haben. Der stellvertretende Botschafter Hendrik van Thiel schrieb in der Vorwoche in einem Lagebericht zu den Evakuierungen: "Wenn das an irgendeiner Stelle diesmal schiefgehen sollte, so wäre dies vermeidbar gewesen."

Das Personal der deutschen Botschaft wurde am Sonntag auf den militärischen Teil des Flughafens Kabul verlegt. Außenminister Heiko Maas (SPD) hatte am Freitag gesagt, dass man sich seit Wochen vorbereitet habe, doch laut ARD-Informationen wurde erst vergangene Woche über den Einsatz von Bundeswehr-Transportmaschinen gesprochen.

CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet nannte die Situation in Afghanistan am Montag vor Journalisten "das schlimmste Debakel, das die Nato seit ihrer Gründung erleidet". Er sprach sich dafür aus, dass Deutschland vor allem Frauen und Mädchen aus Afghanistan aufnimmt, da sie die ersten Opfer der Taliban werden würden.

Um die Fluchtbewegungen zu besprechen, fordern die Staaten an der EU-Außengrenze, dass Afghanistan am Mittwoch auch Thema beim Treffen der Innenminister in Slowenien wird. Griechenland, Italien, Spanien, Malta und Zypern formulierten einen dementsprechenden Brief an die slowenische Ratspräsidentschaft.

Treffen der Außenminister

Fest steht aber auf jeden Fall, dass sich am Dienstag die Außenminister der Europäischen Union mit der Situation in Afghanistan befassen werden. EU-Außenbeauftragter Josep Borrell hat ein Sondertreffen per Videokonferenz einberufen. "Afghanistan steht an einem Scheideweg. Die Sicherheit und das Wohlergehen seiner Bürger sowie die internationale Sicherheit stehen auf dem Spiel", schrieb er dazu auf Twitter.

Die EU arbeitet auch gemeinsam mit ihren Mitgliedsstaaten an der Ausreise afghanischer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. "Die Angelegenheit ist extrem dringend, wir nehmen das sehr ernst und arbeiten weiterhin hart (...), um schnelle Lösungen für sie zu finden und ihre Sicherheit zu garantieren", sagte ein Sprecher der EU-Kommission zur Nachrichtenagentur Reuters. Die Kommission veröffentlicht aber aus Sicherheitsgründe nicht die genaue Anzahl der lokalen Angestellten.

Um die Menschen auszufliegen, verlassen sich europäische Regierungen auch auf die Hilfe von Staaten in der Region. So hat sich etwa Pakistan bereiterklärt, 431 Afghanen außer Landes zu bringen, die für die dänische Regierung tätig waren.

Frankreich und Spanien führen ihre Evakuierungsflüge via Vereinigte Arabische Emirate durch. Aus Madrid hoben am Montag zwei Flugzeuge nach Dubai ab, um die erste Phase der Evakuierungen einzuleiten. Neben spanischem Botschaftspersonal sowie lokalen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sollen auch EU-Angestellte aus Afghanistan geholt werden. (Bianca Blei, 16.8.2021)