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PRO: Den Preis fürs Nein zahlen

von Gerald John

Ungeimpfte müssen draußen bleiben: Was Stadtrat Peter Hacker vorschlägt, wird ihm viele Feinde machen. Gerechtfertigt ist es dennoch, Immunisierungsunwillige vorübergehend von Teilen des öffentlichen Lebens – etwa Sport- und Freizeiteinrichtungen – auszusperren.

Kollektiv verabreichte Vakzine sind die schärfste Waffe gegen ein Wiederaufflammen der Pandemie, Tests kein vollwertiger Ersatz. Der Stich in den Oberarm schützt zu 90 Prozent gegen eine schwere Covid-Erkrankung, das Risiko ist laut verfügbaren Daten überschaubar. Eine Thrombose als gefährliche Nebenwirkung ist für Erwachsene vielfach unwahrscheinlicher, als in einer von Impfung ungebremsten Corona-Welle im Spital zu landen. Der Staat drängt seine Bürger also zu nichts Unzumutbarem, zumal diese ja auch eine Wahl haben. Nur sollen jene, die sich gegen eine Immunisierung entscheiden, die Konsequenzen in erster Linie selber tragen.

Schränkt das nicht die Freiheitsrechte ein? Ja – aber das passiert erst recht dann, wenn im Herbst wieder so viele Kranke in den Intensivstationen aufschlagen, dass neue Restriktionen unverzichtbar sind. Selbst wenn sich ein harter Lockdown – dank Impfungen! – nicht abzeichnet: Auch an Bars und Discos, die wohl als Erste zusperren müssen, hängen Existenzen. Geimpfte Leidtragende fragen sich zu Recht, warum sie den Preis für jene mitzahlen müssen, die partout nicht den einfachsten Weg aus der Pandemie einschlagen wollen. (Gerald John, 16.8.2021)

KONTRA: Unverhältnismäßige Idee

von András Szigetvari

Es ist unbestritten, dass die Impfung einen guten Schutz gegen eine schwere Corona-Erkrankung bietet. Die Frage ist nur, wie viel Druck wir auf jene Menschen ausüben sollen, die sich, warum auch immer, verweigern. Und hier geht der Vorstoß des Wiener Gesundheitsstadtrats Peter Hacker, nur noch Menschen mit vollem Impfschutz in Kaffeehäuser und Fitnesscenter zu lassen, zu weit.

Zunächst entbehrt der Vorstoß wissenschaftlicher Grundlagen. Führende Virologen wie Florian Krammer argumentieren, dass auch eine durchgemachte Infektion einen hohen Schutz von bis zu 90 Prozent vor Reinfektion bietet. Welche Schutzwirkung überhaupt länger hält, jene der Impfung oder jene der Infektion, sei unklar. Auf welcher Grundlage will Hacker also Genesene, immerhin 670.000 in Österreich und 130.000 in Wien, von Lokalen ausschließen, aber Geimpfte nicht? Das wäre ein nicht zu rechtfertigender Grundrechtseingriff. Wenn schon, müsste es grünes Licht für beide Gruppen geben.

Doch auch hier sind Zweifel angebracht. Bei jedem Eingriff gilt es abzuwägen. Während bei den aktuellen Impfquoten laut Experten eine Überlastung der Spitäler unwahrscheinlich ist, hätte eine "Ein-G-Regel" weitreichende Konsequenzen. Nicht nur weil viele Menschen vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen wären, sondern weil Gastronomie und Fitnesscentern die Gäste wegbrechen würden. Diese Kosten wären höher, als wenn im Herbst ein paar Discos zusperren müssen. (András Szigetvari, 16.8.2021)