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Mawlawi Hibatullah Akhundzada gilt als der oberste Führer der Taliban.

Foto: Afghan Islamic Press via AP

Wikipedia war nicht nur besonders schnell, sondern schmerzlich vorauseilend: "Akhundzada wurde am 15. August 2021 Herrscher von Afghanistan, nachdem die Taliban Kabul eingenommen und den Präsidentenpalast besetzt hatten", hieß es am Montag in der englischen Version. Wo sich der Genannte – Mawlawi Hibatullah Akhundzada, geboren zirka 1960 in der Provinz Kandahar – aufhält, weiß man zwar nicht, sehr wohl aber, als was er sich in dem von den Taliban erwünschten neuen "Islamischen Emirat Afghanistan" sieht: als "Amir al-Mu’minin", als Prinz der Gläubigen.

Bekannte biografische Details des Mannes, der als Führer der afghanischen Taliban gilt, sind spärlich gesät. Sein früher Werdegang war typisch für einen "Talib": einen jener Religionsschüler aus Afghanistan, die in den islamischen Medresen in Pakistan ausgebildet und Mitte der 1990er-Jahre vom pakistanischen Militärgeheimdienst ISI ausgerüstet und wieder nach Hause geschickt wurden, um Afghanistan zu erobern. Akhundzadas Vater, aus dem paschtunischen Stamm der Noorzai, war ein Religionslehrer und Imam in seinem Dorf. In den 1980er-Jahren ging die Familie nach Quetta in Pakistan, und der junge Mann, der vorher bei seinem Vater gelernt hatte, wurde ins islamische Seminar geschickt.

Chefrichter der Schariagerichte

Nachdem sich die Taliban zum ersten Mal in Teilen Afghanistans festgesetzt hatten, war er zuerst bei der gefürchteten Religionspolizei und stieg dann als islamischer Jurist auf. Er brachte es bis zum Chefrichter der Schariagerichte und soll der Autor vieler Rechtsgutachten sein, die das Schreckensregime der Taliban in Afghanistan 1996 bis 2001 begleiteten.

Wie und wo er die Jahre nach dem Sturz der Taliban durch USA und Nato im Herbst 2001 verbracht hat, ist nicht ganz klar. Sicher ist, dass er ein Stellvertreter von Taliban-Chef Molla Akhtar Mansur war, als dieser 2016 von einer US-Drohne – in Pakistan – getötet wurde. Der soll ihn persönlich zum Nachfolger bestimmt haben.

Akhundzada gilt als so etwas wie ein spiritueller Führer, seine drei Stellvertreter kümmern sich um die Felder Politik, Militär und Religion. Gewalt in allen Facetten begleitet sein Leben: Einer von Akhundzadas Söhne soll 2017 ein Selbstmordattentat auf einen afghanischen Armeeposten in der Provinz Helmand verübt haben. Bei einem Bombenanschlag auf eine Moschee in Pakistan, der vielleicht ihm gegolten hat, starb 2019 einer seiner Brüder. (Gudrun Harrer, 17.8.2021)