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Eine gute Zuhörerin im engen Umfeld, der man sich oft anvertrauen kann, sorgt offenbar dafür, dass das Gehirn langsamer abbaut.
Foto: Getty Images / skynesher

Soziale Interaktionen sind für den Menschen wichtig – und zwar so, dass man sich verstanden fühlt, über Probleme sprechen und sich auf die wichtigen Bezugspersonen verlassen kann. Dies streicht auch eine aktuelle Studie eines US-amerikanischen Forschungsteams heraus: Die Neurologinnen und Neurologen stellten fest, dass der Abbau der kognitiven Leistungen langsamer voranschreitet, wenn Personen jemanden zum Zuhören in ihrem Leben hatten.

Dies erhöht offenbar die kognitive Widerstandsfähigkeit, schreibt das Forschungsteam im Online-Fachjournal "JAMA Network Open". Ihr Gehirn kann also besser funktionieren, als man es aufgrund der körperlichen Alterung oder krankheitsbedingten Veränderungen des Hirns erwarten würde. "Wir betrachten die kognitive Resilienz als einen Puffer gegen die Auswirkungen von Gehirnalterung und Krankheit", sagt der Erstautor der Studie, Joel Salinas, der an der New York University Grossman School of Medicine und dem Harvard-Zentrum für Populations- und Entwicklungsstudien forscht.

Resilienz aufbauen

In der Neurologie gehen viele Fachleute davon aus, dass die Resilienz aufgebaut werden kann, etwa durch mental stimulierende Tätigkeiten wie das Erlernen neuer Dinge, aber auch durch körperliche Aktivität und positive soziale Interaktionen. Das bedeutet auch, dass man sich und nahestehende Personen mit solchen Maßnahmen besser auf spätere Lebensalter vorbereiten kann, sagt Salinas: "So kann man auch den Symptomen einer Alzheimer-Erkrankung vorbeugen – was besonders wichtig ist, weil wir noch immer keine Heilung für die Krankheit haben."

Für die Forschungsarbeit nutzten Salinas und sein Team eine seit langem laufende und genau überwachte Studie, die Framingham Heart Study. Das Durchschnittsalter der 2.171 Probanden lag bei 63 Jahren; sie gaben Auskunft darüber, ob ihnen "unterstützende soziale Interaktionen" zur Verfügung stehen. Darunter fallen im Rahmen der Studie etwa gutes Zuhören, gute Ratschläge, Liebe und Zuneigung, ausreichender Kontakt mit Menschen, die ihnen nahe stehen, und emotionale Unterstützung.

Außerdem wurde die kognitive Resilienz der Probanden ermittelt, mithilfe von neuropsychologischen Einschätzungen und Magnetresonanztomografie-Daten. Denn verhältnismäßig niedrige Gehirnvolumina gehen eher mit schlechteren kognitiven Funktionen einher, die auch über Tests ermittelt und mit den sozialen Interaktionen verglichen wurde.

Aufnahme in Patientenanamnese

Dabei stellte sich heraus, dass vor allem die Verfügbarkeit von guten Zuhörerinnen und Zuhörern mit besserer kognitiver Resilienz zusammenhing. In Zahlen ausgedrückt: Personen zwischen 40 und 60, die angaben, kaum jemanden zum Zuhören zu haben, hatten ein kognitives Alter, das vier Jahre über dem derjenigen Personen lag, die sich oft gut Zuhörenden anvertrauen konnten.

"Diese vier Jahre können unglaublich wertvoll sein", sagt Salinas. "Wir denken so oft darüber nach, wie wir unsere Gehirngesundheit schützen können, wenn wir viel älter sind – nachdem wir schon jahrzehntelang viel Zeit verloren haben, um Gewohnheiten aufzubauen und aufrecht zu erhalten, die gut für ein gesundes Gehirn sind." Er empfiehlt Ärztinnen und Ärzten, bei der Anamnese die Frage zu stellen, ob ein Patient beispielsweise jemanden hat, auf den er zählen kann und der ihm zuhört, wenn er Gesprächsbedarf hat. "Einsamkeit ist eines von vielen Symptomen für Depressionen und hat auch darüber hinaus gesundheitliche Folgen für die Patienten." Die Indizien, die die Studie liefert, sollten außerdem durch weitere Forschungsarbeiten ergründet werden, um mehr über psychosoziale Faktoren der Gesundheit zu lernen. (red, 17.8.2021)