Kogler im ORF-"Sommergespräch".

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Unter Donner und Blitz ist am Montagabend das zweite ORF-"Sommergespräch" gestartet – mit einem Vizekanzler, der sich bemühte, sich nicht in eine Gegenposition zum Koalitionspartner ÖVP manövrieren zu lassen. Interviewerin Lou Lorenz-Dittelbacher hatte auf die eigentlich geplante Einleitung mit einem Porträt von Grünen-Chef Werner Kogler verzichtet und ihn gleich auf die Sicherheitslage in Afghanistan angesprochen.

Kogler: "Es wird nicht abgeschoben"

Am liebsten hätte sie offenbar gehört, dass der Vizekanzler sich dafür starkmachen würde, sofort Flüchtlinge, womöglich weibliche Flüchtlinge aus Afghanistan aufzunehmen. Mehrfach hat sie nachgestoßen – aber Kogler blieb realistisch. Und gleichzeitig verbindlich gegenüber dem Koalitionspartner: "Jetzt muss es um etwas ganz anderes gehen: vor Ort zu helfen, wie es auch die ÖVP immer wieder sagt." Es werde "keine Abschiebungen nach Afghanistan geben".

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Zwei Versuche unternimmt die Interviewerin noch, Kogler gegen die ÖVP und deren Innenminister Karl Nehammer auszuspielen, die keinen Abschiebestopp nach Afghanistan zulassen wollen. Aber der Vizekanzler pariert: "Wichtig ist die Wirklichkeit. Das Ergebnis ist: Es wird nicht abgeschoben." Das sei faktisch und juristisch unmöglich.

Nicht viel Prägung durch die ÖVP

Daraufhin muss Lorenz-Dittlbacher aufgeben und sich darauf verlegen, doch ein wenig Persönliches aus dem Leben Koglers aufzuarbeiten – ob er vielleicht dadurch beeinflusst worden sei, in den 1960er-Jahren in der von der ÖVP geprägten Steiermark aufgewachsen zu sein. Kogler muss sie daran erinnern, dass er in den 60er-Jahren ein Kleinkind gewesen ist, da habe er nicht viel mitgekriegt.

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Später war er dann in einem Verein "zur Abschaffung des Mittelalters in der Oststeiermark" – aber die heutige ÖVP sei eben nicht mehr so wie die, die er seinerzeit kennengelernt habe. Kein böses Wort also? Im Gegenteil: "Wir haben eine Arbeitsbasis, die ist sehr respektvoll. Was hätte die Republik, was hätte die Bevölkerung davon, wenn wir dauernd streiten würden?", fragt Kogler und merkt mit Seitenblick auf die Interviewerin an: "Ich glaube, manche wünschen sich das."

Er jedenfalls wünscht sich keinen Streit. Nicht im Fernsehen. Auch nicht hinter verschlossenen Kabinettstüren.

Klimapolitik

Ist es denn nicht ein klarer Streitpunkt, wenn der Bundeskanzler den Eindruck erwecke, dass es ein Erreichen der Klimaziele ohne merklichen Verzicht geben kann, wird Kogler gefragt. Und er antwortet entwaffnend: "Da hat er eh recht." Lorenz-Dittlbacher, sonst immer bereit, den Redefluss Koglers zu unterbrechen, ist an dieser Stelle baff.

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So kann Kogler munter erläutern, dass es ohnehin viele private Initiativen für den Klimaschutz gebe, eine Million Dächer würden mit staatlicher Förderung "in den nächsten fünf bis zehn Jahren" mit Photovoltaik ausgerüstet, Österreich sei beim Klimaschutz von den letzten Plätzen in Europa unterwegs an die Spitze.

Und auf Wortklauberei – "Steinzeit hin oder her", nimmt er der ÖVP-Erzählung über Grüne Verbotspolitik die Schärfe – lasse er sich eben nicht ein.

Aber wäre es nicht interessant, die Mechanismen der CO2-Besteuerung kennenzulernen, die ab dem kommenden Jahr in Kraft treten soll, versucht die Interviewerin einzuwerfen – und erntet eine beschwichtigende Geste plus weiteren Erklärungen, dass man Kohlendioxidausstoß entweder direkt besteuern könnte oder aber eine Bepreisung bei jenen Unternehmen vornehmen könnte, die die fossil basierten Vorprodukte auf den Markt bringen. Wie also wirklich? "Wir werden es dann erfahren, wenn es fertig ist." Wann, noch heuer? "Ich bin da sehr zuversichtlich", sagt Kogler.

Ob er verstehen könne, dass viele – auch in seiner Partei – gewisse Vorbehalte dagegen haben, dass die Grünen-Politik nicht greifbarer wird, fragt Lorenz-Dittlbacher. Wirkliches Verständnis zeigt Kogler da nicht: "Es muss doch irgendwann des Erreichte zählen – und nicht: Irgendwer hat was erzählt."

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Corona-Politik

Kogler nennt als Beispiel die Corona-Politik – nur aus einem Nebensatz ist erkennbar, dass er gegen eine Impfpflicht ist. Nachgefragt: Ist es für Sie denkbar, dass es einen Lockdown nur für Ungeimpfte gibt? Hier windet sich Kogler – "man soll im Leben nie etwas ausschließen" – und erläutert, dass die Drei-G-Regel funktioniert. Einen weiteren Lockdown kann er sich derzeit nicht vorstellen.

Dann doch noch einen Unterschied zum Bundeskanzler, es sei nicht immer so geschickt, Ränge zuzuordnen: "Ich halte von dieser Notengeberei nicht viel" – weshalb er keine Medaillen für Regierungsmitglieder vergeben würde, wie es Lorenz-Dittlbacher vorgeschlagen hatte.

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Das Donnerwetter blieb fein draußen. Über dem Museumsquartier, von dem aus der ORF übertrug, während drinnen der Vizekanzler schon an einer Legendenbildung webte: In der Rückschau sei von Rot-Schwarz der Eindruck des Stillstands geblieben. Von Türkis-Blau ist Ibiza in Erinnerung. Bei Türkis-Grün werde man sich erinnern, dass doch einiges weitergegangen ist. (Conrad Seidl, 17.8.2021)