Wien – Der Markt für digitale Vermögenswerte strotzt nur so vor Hoffnung und Zuversicht. Am Beispiel des Wiener Start-ups Bitpanda zeigt sich das deutlich. Im Jahr 2014 wurde die digitale Investmentplattform gegründet, sieben Jahre später mit 4,1 Milliarden Dollar (3,48 Milliarden Euro) bewertet. Damit überholt Bitpanda namhafte Finanzfirmen dieses Landes wie die Vienna Insurance Group, die Oberbank oder Uniqa, die allesamt unter vier Milliarden wert sind (DER STANDARD berichtete).

Am Dienstag gab Bitpanda eine Finanzierungsrunde in der Höhe von 263 Millionen Dollar bekannt. Diese Finanzspritze verdreifachte die Unternehmensbewertung. Über die Plattform lässt sich in Aktien, Kryptowährungen und Edelmetalle investieren. Firmenangaben zufolge nutzen insgesamt über drei Millionen Menschen die Plattform.

Erst im März sicherte sich Bitpanda ein Investment in Höhe von 170 Millionen Dollar und erreichte damit als erstes heimisches Start-up den Unicorn-Status. Diese Bezeichnung als Einhorn erhalten im Szenesprech Firmen, die mit mehr als einer Milliarde Dollar bewertet werden. Das heurige Jahr stellt alle bisherigen in den Schatten, insgesamt floss bereits über eine Milliarden Euro in heimische Start-ups.

Hype am Markt

Der Hype in der Fintech-Branche ist unübersehbar, hier wird zum Teil die Finanzbranche umgekrempelt. Traditionelle Finanzfirmen können mit den Angeboten junger digitaler Unternehmen nicht mithalten. Dementsprechend steigt bei Investoren auch die Nachfrage nach vielversprechenden Unternehmen – inner- und außerhalb Europas. Zudem befindet sich momentan sehr viel Liquidität im Markt.

Diese Runde wird ein weiteres Mal angeführt von Valar Ventures rund um den deutsch-amerikanischen Tech-Milliardär Peter Thiel. Ebenfalls mit dabei sind unter anderem Lead Block Partners und der britische Hedgefonds-Manager Alan Howard. Das Investment sei bereits Anfang August unterzeichnet worden und warte noch auf die Freigabe durch die Finanzmarktaufsicht.

Start-up-Experte Florian Haas vom Wirtschaftsprüfer EY begründet den aktuellen Finanzierungsboom so: "Die Akzeptanz und auch Aufmerksamkeit für Investments in Start-ups steigt, das Niedrigzinsumfeld spült viel Geld in den Markt, es gibt große Cash-Reserven bei Fonds und Risikokapitalgebern bei gleichzeitigem Investitionsdruck." Der Markt sehe mittlerweile neue Perspektiven für innovative Unternehmen, und im Pandemiejahr habe sich die Sichtweise bezüglich Technologie deutlich geändert. "Im internationalen Vergleich sind die Bewertungen und damit auch die Finanzierungsrunden in Europa und Österreich aber immer noch gering."

Zurücklehnen kann sich bei Bitpanda momentan niemand. Das nun wertvollste Start-up des Landes will expandieren.
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Die Krux mit der Bewertung

Hält die Bewertung, was sie verspricht? "Bitpanda ist ein interessanter Fall, denn sie waren von Anfang an profitabel, bis der erste Risikokapitalgeber eingestiegen ist. Zu Beginn läuft es bei solchen Firmen selten so", sagt Barbara Edelmann, Partnerin bei der Deloitte-Steuerberatung in Wien.

"Die 4,1-Milliarden-Bewertung ist subjektiv und fußt natürlich nicht auf historischen Daten, sondern ist getrieben von Erwartungen in die Zukunft – sowohl in die Firma als auch in die ganze Branche." Zudem komme es darauf an, wie andere vergleichbare Unternehmen bewertet werden.

Eigenen Angaben zufolge hat Bitpanda heuer bereits mehr als 100 Millionen Euro Umsatz gemacht, genaue Zahlen werden allerdings nicht genannt. Man rechnet für das ganze Jahr mit einer Versiebenfachung, verglichen mit 2020. Bitpanda begann als Kryptowährungsbroker, aus dieser Ecke stamme momentan auch noch das Gros der Erlöse. Aktuell beschäftigt das Unternehmen mehr als 500 Mitarbeiter aus 50 Nationen und betreibt neben Wien sieben weitere, über Europa verteilte Büros.

Wertfrage

Start-up-Bewertungen werden im öffentlichen Diskurs oft kritisiert. Sie seien weltfremd. Dass die Zahlen nicht objektiv sind, bestätigt auch Deloitte-Expertin Edelmann: "Verlässliche historische Daten, auf denen sich etwas prognostizieren lässt, fehlen. Beim enormen Wachstum mancher Start-ups wären Vorhersagen auf dieser Basis aber ohnehin nicht möglich."

Oft geht es Investoren aber um andere Faktoren. "Das Team oder das Marktumfeld lässt sich nicht einfach so in Zahlen gießen. Dass die Bewertung subjektiv und mit Risiko behaftet ist, wissen Investoren klarerweise auch", meint Edelmann. Auf der Geldgeberseite herrsche ein genauso großer Wettbewerb wie bei den Empfängern, vor allem in einem gehypten Markt.

Das sieht auch Haas so: "Je früher die Unternehmensphase, desto subjektiver ist diese Einschätzung. In früheren Phasen werden aufgrund fehlender Finanzkennzahlen wie Umsatzerlösen oder Ebitda eher qualitative Methoden herangezogen, die in späteren Phasen verstärkt durch kapitalwertbasierte Methoden ersetzt werden."

Nicht immer transparent

Investments laufen überdies nur in seltenen Fällen ganz transparent. Oft gibt es vertragliche Absprachen, die das Investorrisiko minimieren – beispielsweise durch bevorzugte Behandlung bei einer Liquidation.

Bitpanda ist nun wieder als wertvollstes Start-up des Landes positioniert. Vorübergehend hat sie die Nachhilfeplattform Go Student überholt. Und die Gründer Eric Demuth, Paul Klanschek und Christian Trummer halten laut Firmenbuch noch immer die Mehrheit am Unternehmen. Nun will man kräftig expandieren. (Andreas Danzer, 18.8.2021)