Hier werden die Asylverfahren in erster Instanz entschieden.

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In Österreich waren laut Statistik des Innenministeriums mit Stand Juni 4.810 Asylverfahren von Afghanen anhängig. Außerdem haben Asylwerber, deren Anträge abgelehnt wurden, die Möglichkeit, bei wesentlichen Änderungen der Situation im Heimatland einen Folgeantrag zu stellen – und gute Chancen, damit erfolgreich zu sein, sagen Asylrechtsexperten. Denn in Afghanistan hat am Sonntag mit den Taliban eine radikalislamische Miliz die Macht übernommen.

"Dass ein Afghane in der derzeitigen Situation keinen Schutzstatus bekommt, geht nicht", sagt Christoph Riedl, Asylrechtsexperte der Diakonie. Laut der Genfer Flüchtlingskonvention haben nämlich Menschen, "die wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" haben "und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen" können, ein Recht auf Asyl. "Das sind in Afghanistan aktuell sehr viele Menschen", sagt Riedl und nennt zum Beispiel Frauenrechtlerinnen, Homosexuelle, Hilfskräfte von ausländischem Militär oder Angehörige von Minderheiten wie den Hazara.

Wer in keine dieser Kategorien fällt, müsste nach Riedls Einschätzung subsidiären Schutz bekommen. Denn dieser Schutzstatus ist ausdrücklich für Menschen gedacht, denen kein Asyl zusteht, deren Leben und Unversehrtheit im Heimatland dennoch bedroht ist.

Fluchtmöglichkeiten unklar

Asyl-NGOs werden ihre Klienten über die Möglichkeit eines Folgeantrags aufklären, ergab ein Rundruf des STANDARD. Auf die Frage, ob die staatliche, für die Rechtsberatung im Asylverfahren zuständige Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU), das Gleiche tun wird, sagte ein Sprecher lediglich: "Die BBU berät ihre KlientInnen nach bestem Wissen und Gewissen."

Sowohl beim Innenministerium als auch bei der zweiten Instanz in Asylverfahren, dem Bundesverwaltungsgericht, will man sich auf Anfrage nicht zu zukünftigen Asylentscheidungen äußern – außer dass die Entwicklung in Afghanistan laufend beobachtet und in jede Einzelfallentscheidung einbezogen werde.

Wie viele Afghanen überhaupt in Europa ankommen, hängt aber ohnehin noch von vielen Faktoren ab. Zum Beispiel, ob die Taliban überhaupt jemanden flüchten lassen. Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) will mit den Nachbarländern Afghanistans konferieren, um dort Auffanglager einzurichten. Ob diese darauf eingehen werden, ist unklar. Pakistan hat bereits einen wichtigen Grenzübergang geschlossen, Usbekistan hat ebenfalls den Grenzschutz verstärkt, und der Iran hat Pufferzonen entlang der Grenze eingerichtet. Wo die Menschen aus Afghanistan hinkönnen, wenn sie von den Taliban bedroht werden, bleibt also unklar. (Johannes Pucher, 17.8.2021)