Warten auf Touristen: Die Stadthotellerie steckt vielerorts noch tief in der Krise. Auch anderen Branchen fehlen Einnahmen.

Foto: Imago

Wien – Sie waren für viele Unternehmer ein Rettungsseil, nach dem sie aus der Not heraus griffen, ohne zu zögern. Nun droht daraus für etliche ein Strick zu werden, der ihnen wirtschaftlich die Luft nimmt.

Überbrückungsfinanzierungen halfen zu Beginn der Pandemie tausenden Betrieben aus der Klemme. Wer rasch Liquidität brauchte, während die Geschäfte darniederlagen, konnte bei der Hausbank staatlich besicherte Kredite aufnehmen.

Die maximale Laufzeit der Garantien von Austria Wirtschaftsservice und der Österreichischen Hotel- und Tourismusbank beträgt fünf Jahre. Im Glauben, ihre Umsätze würden sich spätestens heuer wieder erholen, ließen sich vor allem viele kleine und mittlere Unternehmen wie Einzelkämpfer auf Schulden ein.

Einnahmen fehlen

Doch aus einem Lockdown wurden drei sehr lange. Branchen wie die Stadthotellerie und die Freizeitwirtschaft fehlen vielerorts immer noch wichtige Einnahmequellen.

In diesen Wochen sind erste Kreditrückzahlungen fällig. Etliche Betriebe sehen sich derzeit aber nicht dazu imstande, diese zu stemmen.

Die Banken seien nicht bereit, die Laufzeit ihrer Kredite über die Laufzeit staatlicher Garantien hinaus zu verlängern, sagt Christoph Matznetter und warnt vor einer Schuldenfalle. Der SP-Wirtschaftssprecher fordert von der Bundesregierung daher eine Verlängerung der Garantielaufzeit für Überbrückungsfinanzierungen betroffener Unternehmer.

Keiner habe vor eineinhalb Jahren damit gerechnet, dass die Krise viele Geschäfte teils bis heute hart beschneidet, betont er im Gespräch mit dem STANDARD. Rasches Handeln sei nötig. Andernfalls machten Hilfen, die Betriebe eigentlich vor der Insolvenz bewahren sollten, den Fortbestand derselben unmöglich.

Systemanbieter als Lückenfüller?

Matznetter erinnert daran, dass das Gros der verschuldeten Firmen in Familienbesitz steht. Pleitewellen in ihren Reihen führten dazu, dass internationale Ketten und Systemanbieter die Lücken füllen, sobald der Konjunkturmotor anspringt.

Um wie viele Jahre soll die Laufzeit der staatlichen Garantien verlängert werden? Die SPÖ plädiert für Flexibilität. Die Förderbank müsse anhand der ihr vorliegenden Akten entscheiden, ob sie Betrieben in der Bredouille weitere zwei bis vier Jahre Zeit für Rückzahlungen gebe.

Findet man dafür zu wenig Gehör, will Matznetter Druck über parlamentarische Anfragen und Entschließungsanträge aufbauen.

"Verfrühte Debatte"

Dem Austria Wirtschaftsservice seien Probleme mit offenen Ratenzahlungen bei Überbrückungsfinanzierung bisher allerdings nicht bekannt, berichtet ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums.

Er verweist auf die bis Jahresende verlängerten staatlichen Hilfen. Erst dann ließe sich die Lage Corona-bedingt neu beurteilen und eine entsprechende Lösung finden.

Auch Michaela Reitterer, Präsidentin der Hoteliervereinigung, hält die Debatte über längere Garantien für verfrüht. Betroffenen gehöre geholfen. Eine Maßnahme für die gesamte Branche brauche es aber vorerst nicht. Ihr Eindruck sei, dass die Banken bei Sorgen über fällige Kreditraten individuell sehr wohl mit sich reden ließen. Und breche eine vierte Covid-Welle über Österreich herein, dann sehe ohnehin alles anders aus. "Fällt die Wintersaison erneut aus, werden wir vor weit größeren Problemen stehen."

"Ein Teufelskreis"

Für eine Schaustellerin aus Niederösterreich wurde die finanzielle Schmerzgrenze jedoch bereits längst überschritten. Sie sah sich dazu gezwungen, einen Überbrückungskredit in Höhe von 75.000 Euro aufzunehmen. Im Sommer wurde die erste Monatsrate von 1500 Euro fällig. Geld, das sie nach zwei Saisonen des Stillstands in ihrer Branche schwerlich auftreiben kann, zumal auch der Winter keine Einnahmen bringen wird. Eine Aussicht auf andere Jobs habe sie mit bald 60 Jahren nicht.

2019 blickte sie auf ein neues Jahr mit vollen Auftragsbüchern und investierte in neue Fahrgeschäfte wie ein Autodrom, erzählt sie. Stattdessen kam Corona. Die erworbene Anlage gehöre abbezahlt, diese zu verkaufen sei in Zeiten wie diesen unmöglich. "Wir Schausteller sitzen alle im selben Boot." Vielen in ihrer Branche drohe die Pleite. Sie selbst versuche, sich weiter durchzuwurschteln, und hoffe auf Verlängerung der Rückzahlung um drei Jahre. "Denn es ist ein Teufelskreis." (Verena Kainrath, 18.8.2021)