Im europäischen Ausland galten sie jahrelang als "Krönung" flexibler Personalmodelle: "Zero-hours contracts" (ZHCs) sind Arbeitsverträge ohne festgelegtes Arbeitszeitausmaß. Auf Grundlage einer Rahmenvereinbarung werden Arbeitseinsätze je nach Bedarf vom Arbeitgeber vorgeschlagen. Kommt keine Vereinbarung zustande, gibt es auch kein Geld. In Deutschland wird die "Abrufarbeit" seit 2019 wieder deutlich strenger reguliert, im Vereinigten Königreich hingegen wurden 2017 rund 1,8 Millionen solcher ZHCs abgeschlossen: Sechs Prozent aller britischen Arbeitsverträge haben keine garantierte Mindestarbeitszeit.

Ein-Minuten-Arbeitsverträge?

Diese internationale Inspiration ließ zuletzt auch in Österreich einzelne Arbeitgeber auf derartige Ideen kommen: Ein neuer Arbeitsvertrag legte im Vorjahr die wöchentliche Normalarbeitszeit einer Regalbetreuerin mit nur einer Minute fest. Offenbar sollte das Fehlen einer wöchentlichen Mindestarbeitszeit die Arbeitnehmerin, die zuvor erfolgreich ihr zustehende Ansprüche durchgesetzt hatte, "disziplinieren".

Doch die österreichische Rechtslage ist für derartige Modelle nicht geeignet: Bereits in seiner Entscheidung 8 ObA 116/04y hatte der Oberste Gerichtshof (OGH) vor über 15 Jahren über das "Beschäftigung nach Bedarf" genannte Arbeitszeitmodell eines großen Textilhandelsunternehmens zu urteilen. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wurden auf Grundlage einer Rahmenvereinbarung eine Woche im Vorhinein Vorschläge für Dienstpläne gemacht. Sie konnten "frei" entscheiden, ob sie zu den angebotenen Arbeitszeiten arbeiten wollen oder nicht. Bezahlt wurden aber nur tatsächlich geleistete Arbeitsstunden. Der OGH erkannte, dass der "dauernde Verhandlungszustand" die Arbeitszeit völlig von der Willkür der Anbote des Arbeitgebers abhängig macht. Das Fehlen einer Vereinbarung über Lage und Ausmaß der Arbeitszeit stellt daher eine Gesetzesverletzung dar. Als vereinbarte Normalarbeitszeit sind daher die in der ersten Arbeitswoche geleisteten Stunden heranzuziehen.

Teures Vergnügen

Der OGH hielt zudem für die von der ersten Arbeitswoche abweichenden Arbeitszeiten prozentuelle "Flexibilitätszuschläge" für gerechtfertigt. Damit sollen die Vorteile des Arbeitgebers aus der rechtswidrigen Vertragsgestaltung ausgeglichen werden. Ob diese Flexibilitätszuschläge neben oder zusätzlich zu den mit 1. Jänner 2008 eingeführten Mehrarbeitszuschlägen für Teilzeitbeschäftigte zustehen, ist nicht ausjudiziert. Null-Stunden- und Ein-Minuten-Arbeitsverträge sind in Österreich damit aber jedenfalls ein teurer Spaß: Im konkreten Fall mussten der Regalbetreuerin für ihr zweieinhalbmonatiges Dienstverhältnis knapp 1.500 Euro an Zuschlägen nachbezahlt werden. Wohl auch deshalb sind solche Modelle von "Arbeit auf Abruf" in Österreich vergleichsweise bedeutungslos.

Für flexible Arbeitsformen geben österreichische Gesetze Regeln vor.
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Rufbereitschaft ...

Andere Formen der "Arbeit auf Abruf" sind der österreichischen Rechtsordnung hingegen wesentlich vertrauter: Bei der Rufbereitschaft müssen Beschäftigte während ihrer weitgehend frei bestimmbaren Freizeit telefonisch erreichbar sein, um sie in den Dienst rufen zu können. Zahl und Lage der zulässigen Bereitschaftsdienste ist dabei gesetzlich beschränkt. Besteht keine kollektiv- oder einzelvertragliche Regelung über die Bezahlung solcher Rufbereitschaften, ist ein "angemessenes Entgelt" zu leisten. Einen eingeklagten Stundensatz von drei Euro erachteten die Gerichte im konkreten Fall rufbereiter Sicherheitsfachkräfte zuletzt jedenfalls als angemessen (8 ObA 61/18f und 8 ObA 118/20s).

… und Arbeitsbereitschaft

Arbeitsbereitschaften zählen anders als Zeiten der Rufbereitschaft grundsätzlich als Arbeitszeit. Die Beschäftigten müssen sich dabei an einem vom Arbeitgeber festgelegten Ort zur sofortigen Arbeitsaufnahme bereithalten. Arbeitsbereitschaften sind mangels abweichender Vereinbarung auch wie Arbeitszeit zu entlohnen. Vereinbarungen über niedrigere Stundensätze oder Pauschalabgeltungen müssen selbstverständlich kollektivvertragliche Mindeststandards berücksichtigen: Sieht ein KV ausdrücklich vor, dass Arbeitsbereitschaft wie Arbeitszeit zu behandeln ist, kommt eine Unterschreitung der Mindeststundensätze nicht infrage. Zuletzt beurteilte das Arbeits- und Sozialgericht Wien das Bereithalten von "Reserveleuten" eines Wachdienstes auf dem Gelände eines Musikfestivals als normal zu entlohnende Arbeitsbereitschaft. Eine Abgeltung durch die Bereitstellung eines Festivalpasses, der dem Arbeitnehmer zur Verfügung gestellt worden war, lag nicht vor.

Nicht zum Nulltarif

Die "Vorteile der Flexibilität" gibt es in Österreich daher in aller Regel nicht zum Nulltarif. Der einseitigen Verlagerung von Risiken und Nachteilen solcher Arbeitsformen auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wurden von der Rechtsprechung bisher mehrfach Grenzen gesetzt. Plattformbasierte Arbeitsmodelle schaffen natürlich neue Herausforderungen, auf die in der Rechtsentwicklung reagiert werden muss. (Ludwig Dvořák, 25.8.2021)