Sehr viele sehr unhöfliche Wörter sind bei einem Prozess gegen zwei junge Frauen im Wiener Straflandesgericht zu hören.

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Wien – Positiv zu vermerken ist beim Prozess gegen Alexandra S. und Katharina M. (Namen geändert, Anm.), dass die Gleichberechtigung Fortschritte macht. Junge Frauen haben keine Scheu mehr, ihre Ansichten klar zu formulieren. "Du geschlechtskrankiges Opferkind", "du Hurenfut" oder "Fröhliche Weihnachten, du kleine fette Nutte" – Verbalinjurien dieser Art sind auf Aufnahmen zu hören, die Richterin Martina Frank im Prozess gegen die höflichen und unauffällig wirkenden Angeklagten, 20 beziehungsweise 16 Jahre alt, vorspielt.

Die Audiodateien stammen aus Telefonaten mit der 19-jährigen V., die Kontakt mit dem Ex-Freund der Erstangeklagten hatte, was dieser nicht passte. Die Beleidigungen gegen V. wären in diesem Zusammenhang strafrechtlich kein Problem – die Drohungen, ihr eine "fette Faust" zu geben, sie "dumm und deppad zu fetzen" oder ihren Kopf so gegen eine Wand zu schlagen, dass ihr jeder Knochen im Gesicht bricht, schon.

"Da bin ich ausgezuckt"

Eigentlich waren die drei Frauen befreundet, Zweitangeklagte M. und die bedrohte V. waren sogar "beste Freundinnen", wie beide sagen. Dann erfuhr die Erstangeklagte, dass V. sich mit ihrem Ex-Freund traf. "Sie hat mir provokante Bilder geschickt, auf denen er auch drauf war. Da bin ich ausgezuckt", erklärt die Erstangeklagte dazu. Warum, kann sie der Richterin nicht wirklich erklären. Ab November forderte sie V. jedenfalls mehrmals auf, den Mann nicht mehr zu sehen und seine Nummer aus dem Handy zu löschen.

Im Advent 2020 telefonierten S. und M. dann an zwei Tagen gemeinsam mit dem Opfer, schimpften und drohten. "S. hat gesagt, ich soll mitmachen", begründet die Zweitangeklagte ihr Verhalten. "Aber Sie waren doch die beste Freundin von V.?", ist Frank irritiert. "Ich war früher deppad", entschuldigt M. sich. "Das war vor einem Dreivierteljahr?" – "Ich habe jetzt einen Freund bekommen und will mein Leben auf die Reihe bekommen", verweist die einschlägig vorbestrafte Zweitangeklagte auf einen geänderten Lebenswandel.

Mutter ging, Vater starb

Wie sich herausstellt, hatte der Teenager bisher kein leichtes Leben. Die Mutter verließ die Familie, sie und ihr Bruder wuchsen beim Vater auf. Vor drei Jahren starb dieser, M. wanderte von einem Krisenzentrum ins nächste, tauchte immer wieder unter und kam mit Drogen in Kontakt. Mittlerweile lebt sie in Wien und habe sich stabilisiert, berichten sowohl die Jugendgerichtshilfe als auch die Bewährungshelferin. Ein Arbeitskreis betreut sie und hat M. vor einem Monat in einer eigenen Wohnung untergebracht, um die sie sich mit Hingabe kümmert. "Welche Interessen haben Sie in puncto Arbeit?", interessiert die Richterin. "Frisörin", verrät die Zweitangeklagte.

Bei V. habe sie sich bereits entschuldigt und sich wieder mit ihr versöhnt, erzählt sie weiter. Zur Mitangeklagten bestehe dagegen kein Kontakt mehr – im Gegenteil, sie zeigte sie im Jänner nach telefonischen Drohungen selbst an. Die Auseinandersetzung um den Ex-Freund ist ebenfalls hinfällig. Warum, erklärt die unbescholtene Erstangeklagte: "Der ist in London jetzt. Der sitzt auch im Gefängnis, habe ich gehört."

Bewährungshilfe und Psychotherapie

Dieses Schicksal bleibt den Angeklagten erspart. Frank verurteilt die Erstangeklagte zu fünf Monaten bedingter Haft, M. erhält vier Monate bedingt. Bei beiden wird Bewährungshilfe angeordnet, der Zweitangeklagten zusätzlich die Weisung erteilt, eine Psychotherapie zu absolvieren. S. und M. nehmen das Urteil an, da die Staatsanwältin keine Erklärung abgibt, ist die Entscheidung nicht rechtskräftig. (Michael Möseneder, 18.8.2021)