Zellen in der Nasenschleimhaut von Kindern dürften eine entscheidende Rolle dabei spielen, warum sie gegen virale Eindringlinge wie Sars-CoV-2 besser gewappnet sind.

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Covid-19 ist eine Krankheit, die extrem stark altersabhängig ist. Während ältere Personen und Menschen mit Vorerkrankungen nach Infektionen teilweise um ihr Leben kämpfen, sind schwere Krankheitsverläufe bei Kindern zum Glück sehr selten und kommen bei diesen gerade einmal im Verhältnis von eins zu etwa tausend vor. Umgekehrt sind nichtsymptomatische Infektionen, die laut einer neuen Metastudie im Fachblatt "PNAS" insgesamt rund 35 Prozent ausmachen, bei Kindern häufiger als bei Erwachsenen.

Aber woran liegt das? Über die Mechanismen, die für diesen Schutz verantwortlich sein könnten, war bisher wenig bekannt, obwohl dieses Rätsel Medizinerinnen und Mediziner seit Beginn der Pandemie beschäftigte. Denn daraus könnten sich theoretisch natürlich auch vorbeugende Maßnahmen oder Behandlungsansätze ableiten lassen.

Vorteile des kindlichen Immunsystems

Forschende um Irina Lehmann und Markus Mall (Charité in Berlin) haben nun eine wahrscheinliche Erklärung gefunden: Das kindliche Immunsystem dürfte in den oberen Atemwegen wesentlich stärker aktiv sein als bei älteren Menschen. Etwas konkreter und wissenschaftlicher formulieren es die Medizinerinnen in der Kurzfassung ihrer Studie im Fachblatt "Nature Biotechnology": Epithel- und Immunzellen in der Nase von Kindern dürften besser auf die Erkennung von Viren vorbereitet sein, was zu einer stärkeren frühen Immunreaktion auf eine Sars-CoV-2-Infektion führen kann.

Für seine Studie untersuchte das Team um Lehmann und Mall, wie sich die Expression von Genen in einzelnen Zellen der oberen Atemwege von Patienten mit Covid-19 zwischen Erwachsenen und Kindern unterscheiden könnte. Dafür wurden Nasenabstriche von 45 Patienten entnommen, die positiv auf Sars-CoV-2 getestet wurden, darunter 24 Kinder und 21 Erwachsene. Diese Gruppe wurden mit Proben aus einer Kontrollgruppe von 42 gesunden Personen verglichen, die negativ auf Sars-CoV-2 getestet wurden, darunter 18 Kinder und 23 Erwachsene. Insgesamt wurden für diese Studie 268.745 Zellen von 42 Kindern und 44 Erwachsenen analysiert.

Zellen in Alarmbereitschaft

Diese aufwendigen Einzelzellsequenzierungen ergaben, dass die Kinder höhere Ausgangswerte bestimmter sogenannter RNA-Rezeptoren in den Epithel- und Immunzellen ihrer Nasen aufwiesen, die für den Nachweis von Sars-CoV-2 relevant sind. Diese unterschiedliche Expression führte bei Kindern wiederum zu einer stärkeren frühen Immunreaktion auf eine Sars-CoV-2-Infektion als bei Erwachsenen. Vereinfachend könnte man also sagen, dass die Zellen in der Nasenschleimhaut von gesunden Kindern gewissermaßen in ständiger erhöhter Alarmbereitschaft sind.

Eine entscheidende Rolle spielen dabei sogenannte Mustererkennungsrezeptoren, die einen Erreger wie eben Sars-CoV-2 erkennen und daraufhin eine Immunantwort einleiten. Um einen solchen Eindringling zu bekämpfen, wird der Botenstoff Interferon gebildet und ausgeschüttet. Genau das passiert bei Kindern häufiger und schneller. Die Rezeptoren kommen bei den Kinder häufiger vor als bei den Erwachsenen, daher ist auch die Immunantwort bei den Kindern schneller. Die Nasenproben dieser Kinder wiesen zudem mehr unterschiedliche Subpopulationen von T-Zellen auf, die an der Bekämpfung der Infektion beteiligt sind.

Lektionen aus der Studie

Was aber lässt sich aus der Studie lernen? Vermutlich zweierlei, wobei die erste Erkenntnis eher theoretischer Natur ist: Die Forschenden vermuten, dass dieser besondere Immunschutz bei Kindern nicht nur bei Sars-CoV-2 besser funktioniert als bei Erwachsenen: Unser angeborenes Immunsystem ist allem Anschein nach voraktiviert, um besser mit Krankheitserregern umgehen zu können. Erst im Verlauf des Lebens kommen wir mit verschiedenen Viren oder Bakterien in Kontakt, um eine körpereigene Abwehr zu entwickeln.

Eher praktischer Natur ist eine weitere Schlussfolgerung des Teams: Man könnte überlegen, etwa durch einen Nasenspray mit Interferon Risikopatienten vor einer schweren Erkrankung zu schützen. Auf diese Weise würde sich womöglich ein Immunschutz im Nasenbereich aufbauen lassen. Doch das müsse erst noch durch klinische Studien getestet werden.

Keine Entwarnung für Kinder

Die Forschenden betonen aber auch, dass die neuen Daten nur die geringere Häufigkeit von Infektionen und schweren Verläufen bei Kindern erklären und keineswegs zu einer Entwarnung Anlass geben. Auch Kinder können – wenn auch seltener, siehe oben – schwere Covid-19-Symptome oder Long Covid entwickeln. Und je mehr die allgemeinen Fallzahlen bei den Minderjährigen ansteigen (wie zuletzt etwa in den USA vor allem wegen Delta), desto häufiger sind auch Infektionen und schwere Verläufe bei Kindern.

Auch wenn diese aus den nun erforschten Gründen deutlich besser geschützt sind als Erwachsene. (Klaus Taschwer, 18.8.2021)