Wer ist hier kränker? Esoteriktante Masha (Nicole Kidman) oder Jessica (Samara Weaving), die sich von ihr heilen lassen will? "Nine Perfect Strangers", ab Donnerstag bei Amazon Prime Video.

Foto: Hulu / Amazon Prime Video

Zunächst fühlt sich alles gut an: "Willkommen im Tranquillum House. Wir sorgen dafür, dass ihr gesund werdet. Ihr seid zur Heilung hergekommen. Das wird eine wunderbare Reise", sagt die Herrin Masha (Nicole Kidman) zu den neu angekommenen Gästen des Wellnessresorts Tranquillum House in der Hulu-Serie Nine Perfect Strangers ab Donnerstag auf Amazon Prime Video. Nichts wie hin!

Du gehörst jetzt mir

"Manchmal wird es unangenehm sein. Aber es gibt nichts zu befürchten. Du gehörst jetzt mir – und du willst mir gehören." Aha.

Die Erfahrung eines esoterischen Trips, der zunächst völliges Wohlbefinden, kurze Zeit später zum albtraumhaften Seelenstriptease wird, machen acht suchende Menschen unter Mashas Führung. Und die selbsternannte Heilerin hat in den nächsten zehn Tagen einige lustige Sachen mit ihren Gästen vor. Schreitherapie und den Plastikmann verprügeln kann man sich ja wegen Aggressionsabbaus noch durchaus als heilsam vorstellen. Spezieller ist die Idee, sich sein eigenes Grab zu schaufeln und Probe zu liegen. Als die Teilnehmer en passant erfahren, dass im Morgentee bewusstseinserweiternde Substanzen enthalten sind, ist für einige der Spaß vorbei. Wenn auch nur kurze Zeit. "Es gehört zur Heilung, die Wunden zu finden", erklärt Masha. Sie sagt ständig solche Sätze.

Zwischen Widerstand und blindem Vertrauen schwanken und wanken die Insassinnen und Insassen. Allen voran Autorin Frances (Melissa McCarthy), die soeben von ihrem Verlag abgelehnt wurde, das Ehepaar Napoleon (holymoly großartig: Michael Shannon) und Heather (Asher Keddie) sowie deren Tochter Zoe (Grace Van Patten), die den Suizid des Sohnes und Bruders aufarbeiten, Ex-Football-Profi Tony (Bobby Cannavale), der um seine Identität ringt, weiters das Insta-Paar Jessica (Samara Weaving) und Ben (Melvin Gregg), die jähzornige Carmelle (Regina Hall) und der rätselhafte Lars (Luke Evans). Alle sind verletzlich, manipulierbar, und was die russischstämmige Masha mit ihnen genau vorhat, wird in den sechs von acht Folgen, die für den STANDARD vorab zu sehen waren, nicht klar. Dazu kommt, dass Masha selbst mit Drohnachrichten konfrontiert ist.

Trailer zu "Nine Perfect Strangers".
Amazon Prime Video Deutschland

Das Szenario der permanenten Bedrohung im Leben gut situierter bis stinkreicher US-Bürgerinnen und -Bürger gehört zum Fachrepertoire der Australierin Liane Moriarty. US-Showrunner David E. Kelley baute mit Big Little Lies und Nicole Kidman daraus schon einmal ein Seriengebilde, das zumindest eine Staffel lang meisterhaft funktionierte.

Handyverbot-Krise

Nine Perfect Strangers kann daran nicht anknüpfen. Das liegt nicht an Kidman, die sich in die Rolle offenbar richtig reingetigert hat und nach eigenen Angaben im Stanislawski-Stil fünf Monate die Figur der russischen Esotante nicht nur spielte, sondern sie auch lebte. Es hapert an der Story, die in der Form einfach zu wenig Anreize bietet. Die Figuren bleiben flach, das Potenzial zu wenig ausgeschöpft. Von Mashas verstörendem Tefloncharakter, dem bei Kelley gewohnt tollen Soundtrack und einzelnen witzigen Nebenstorys – Handyverbot! – abgesehen erinnert vieles hier an Agatha Christie im Dschungelcamp. Namaste. Aber wann zum Kuckuck passiert hier endlich der Mord? (Doris Priesching, 19.8.2021)