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Inhaltliches ist im deutschen Wahlkampf noch nicht allzu viel besprochen worden. Doch nun dürfte sich ein Thema auftun, das bei der Konzeption der Kampagnen noch niemand auf dem Schirm hatte: eine steigende Zahl von Flüchtlingen aus Afghanistan.

Der deutsche Innenminister Horst Seehofer (CSU) rechnet nach Medienberichten damit, dass 300.000 bis fünf Millionen Menschen das Land verlassen wollen. Dies soll er in einer Unterrichtung der Fraktionschefs im Bundestag erklärt haben.

Kanzlerin Angela Merkel hat zunächst die afghanischen Nachbarländer im Blick, explizit erwähnt sie Pakistan. Sie hofft, dass dort möglichst viele Flüchtlinge unterkommen können. "Bevor man über Kontingente spricht, muss man erst mal über sichere Möglichkeiten für Flüchtlinge in der Nachbarschaft von Afghanistan reden. Dann kann man in einem zweiten Schritt darüber nachdenken, ob besonders betroffene Personen kontrolliert und auch unterstützt nach Europa und in die europäischen Länder kommen."

Sie räumte aber ein, dass dies nicht so leicht sein werde. Denn: "Es ist eine Schwachstelle unserer Europäischen Union, dass wir keine gemeinsame Asylpolitik bis heute geschafft haben. Daran muss mit Nachdruck weitergearbeitet werden."

Nicht alle aufnehmen

Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet will keine Zusage für die Aufnahme afghanischer Flüchtlinge in Deutschland geben: "Ich glaube, dass wir jetzt nicht das Signal aussenden sollten, dass Deutschland alle, die jetzt in Not sind, quasi aufnehmen kann."

Man müsse sich darauf konzentrieren, "vor Ort, jetzt– diesmal rechtzeitig, anders als 2015 – humanitäre Hilfe zu leisten". In den Tagesthemen sagte Laschet, "ein solch unkoordinierter Zustand, dass plötzlich über eine Million Menschen an der österreichischen Grenze stehen, den darf es nicht mehr geben".

Zwei Drittel sind besorgt

Nordrhein-Westfalen ist aber, ebenso wie Niedersachsen und Bremen, bereit, Ortskräfte aus Afghanistan und deren Familien aufzunehmen. Auch aus Berlin gibt es Signale.

Eine Mehrheit der Deutschen befürchtet laut einer Civey-Umfrage für die "Augsburger Allgemeine Zeitung", dass angesichts der Entwicklung in Afghanistan erneut sehr viele Flüchtlinge nach Deutschland kommen. Knapp zwei Drittel (62,9 Prozent) sorgen sich vor einer Situation wie 2015, knapp ein Drittel (30 Prozent) teilt diese Sorge nicht.

Alice Weidel, AfD-Fraktionschefin und Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl, fordert eine Aussetzung des Asylrechts, da eine Migrationswelle aus Afghanistan bevorstehe. "Die Bundesregierung beweist nun endgültig, dass sie aus den Fehlern von 2015 nichts gelernt hat. Sonst würde sie die Taliban nicht dazu auffordern, die Schleusen für Migranten in unbekannter Zahl zu öffnen", sagt sie und betont, man müsse zuerst an die Sicherheit der deutschen Bürger denken.

Aufruf der Evangelischen Kirche

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, verlangt hingegen die Aufnahme von Flüchtlingen. Er erklärt: "Wir haben als Land in den vergangenen Jahren Mitverantwortung in Afghanistan getragen. Gerade deshalb ist es jetzt auch an uns, einen solidarischen Beitrag zur Bewältigung der Folgen zu leisten, indem wir dafür sorgen, dass Menschen, denen die Flucht aus Afghanistan gelingt, menschenwürdige Aufnahme finden." (Birgit Baumann aus Berlin, 18.8.2021)