In Katar leitete Baradar die Gespräche mit den USA. Nun ist er als Erster der Taliban-Führung nach Kabul zurückgekehrt.

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Der Rufname, den ihm angeblich Mohammed Omar, der ominöse erste Führer der Taliban, gegeben hat, ist ihm geblieben: Als Bara dar – Bruder – ist der bekannteste Exponent der Bewegung, die Afghanistan übernommen hat, bekannt. Mullah Abdul Ghani Baradar Akhund ist Durrani-Paschtune vom Stamm der Popalzai. Er ist das Gesicht nach außen, der erste der neuen Führung, der sich in Afghanistan zeigte.

Das hat zu Spekulationen geführt, dass er "Präsident" werden könnte, wobei es nicht sicher ist, welche Posten und Institutionen sich das "Islamische Emirat Afghanistan" überhaupt geben wird.

Mullah Baradar wurde 1968 geboren und wuchs in Kandahar auf. Mit Omar verband ihn seit Jugendtagen eine tiefe Freundschaft. Gerüchten zufolge haben die beiden später auch Schwestern geheiratet. In den Achtzigerjahren zog Baradar für Omar aufs Schlachtfeld gegen die sowjetischen Besatzer, Anfang der Neunzigerjahre unterstützte er ihn bei der Gründung der radikalislamischen Taliban.

Geleitschutz für Omar

Während der ersten Taliban-Herrschaft (1996–2001) bekleidete Baradar verschiedene Ämter, darunter laut Interpol das des Vizeverteidigungsministers. Als die USA 2001 nach den Anschlägen vom 11. September in Afghanistan einmarschierten und die Taliban-Herrschaft beendeten, soll Baradar Omar auf einem Motorrad in die Sicherheit der afghanischen Berge gefahren haben.

Baradar übernahm die Rolle des Militärchefs und führte den Aufstand gegen Regierung und ausländische Truppen. Omar starb 2013.

Trotz seiner militärischen Aktivitäten stand Baradar hinter mehreren Versuchen, Friedensgespräche in Afghanistan zu beginnen. Nichtsdestotrotz wurde er 2010 in Pakistan festgenommen und saß im Hausarrest, bis er 2018 – angeblich auf Drängen Washingtons – freikam.

Als Chef des politischen Büros der Taliban im katarischen Doha und einer der drei Stellvertreter des Taliban-Führers Mawlawi Hibatullah Akhundzada agierte Baradar fortan auf dem diplomatischen Parkett. Er leitete die Gespräche mit den USA in Katar und unterzeichnete Ende Februar 2020 mit US-Außenminister Mike Pompeo das Doha-Abkommen. Diplomatische Missionen führten ihn nach Peking, Teheran oder Islamabad, wo er einer Anerkennung durch regionale Mächte vorzubauen versuchte. Baradar war es auch, der vergangenen Sonntag per Video die Eroberung Kabuls verkündete. (Manuela Honsig-Erlenburg, 18.8.2021)