Mieterschützerinnen und Mieterschützer befürchten eine Delogierungswelle als Folge der Corona-Pandemie.

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Es ist die Frau, die während der drei Lockdowns daheim verstärkt Gewalt durch ihren Partner erlebt hat und die jetzt eine Wohnalternative braucht. Es ist die Familie, die Corona-bedingt mit Mietrückständen kämpft – und der nun die Delogierung droht. Und es ist der Mann, der in der Pandemie seinen Job verloren hat und der nun die Miete nicht mehr zahlen kann.

Mit solchen Schicksalen sind Sozialorganisationen im ganzen Land seit Ausbruch der Pandemie vermehrt konfrontiert. "Zu uns kommen Menschen, die sagen: 'Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal hier stehen werde'", erzählt Elisabeth Hammer, Obfrau der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (Bawo) und Neunerhaus-Geschäftsführerin.

Delogierungswelle befürchtet

Mieterschützerinnen und Mieterschützer befürchten seit Monaten eine Delogierungswelle – und damit einen Anstieg der Obdachlosigkeit. Denn die Möglichkeit, Corona-bedingt Mieten zu stunden, gab es nur im März, April und Mai des Vorjahres. Diese nicht bezahlten Mieten wurden mit dem heurigen April fällig und können seither von der Vermieterin oder dem Vermieter eingeklagt werden.

Eine Delogierungswelle, wie es sie auch nach der Finanzkrise gegeben hat, müsse nun verhindert werden, betonte Sozialminister Wolfgang Mückstein (Grüne) bei einem Pressegespräch am Donnerstag. Sein Ressort stellt daher 24 Millionen Euro zur Wohnungssicherung zur Verfügung, weitere 25 Millionen Euro fließen in insgesamt 31 Projekte zur Armutsbekämpfung.

Eines davon ist das Projekt "Zuhause ankommen", das mit 2,6 Millionen Euro unterstützt wird. Es wird von der Bawo koordiniert und gemeinsam mit Projektpartnern wie Caritas, Volkshilfe und Diakonie in fünf Bundesländern – Wien, Burgenland, Kärnten, Niederösterreich, Oberösterreich – ausgerollt. Das Ziel: Insgesamt sollen bis zum April des kommenden Jahres 240 Wohnungen an fast 600 Menschen übergeben werden, die durch die Pandemie ihre Wohnung verloren haben oder von Wohnungslosigkeit bedroht sind.

Zuschüsse bei Übersiedlungen

Zur Verfügung gestellt werden diese Wohnungen in Kooperation mit dem gemeinnützigen Wohnsektor. Hier bieten sich laut Bernd Rießland, Obmann des Verbands gemeinnütziger Bauvereinigungen, bereits abbezahlte Bestandswohnungen an, in denen die Mieten ohne Betriebskosten zwischen vier und 4,50 Euro pro Quadratmeter liegen. Eine hohe Einstiegshürde ist in dem Segment für viele aber der einmalig fällige Finanzierungsbeitrag, der in den infrage kommenden Wohnungen zwischen 1.000 und 5.000 Euro liegt. Durch das Projekt "Zuhause ankommen" soll Betroffenen dabei finanziell unter die Arme gegriffen werden: "Das ermöglicht einen Zugang, wo es sonst eine Eintrittshürde gibt", sagte Hammer. Ebenso gibt es Zuschüsse bei Übersiedlungen und Mietzinsrückständen.

Das Ganze funktioniert nach dem Prinzip "Housing First". Betroffene bekommen also nicht nur eine temporäre Unterkunft, sondern eine dauerhafte Wohnung mit eigenem Mietvertrag – aber mit Unterstützung durch Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter. 500 Wohnungen wurden nach dem Prinzip bisher bereits in Österreich vergeben. Es ist auch international erprobt: "In Finnland wurde mit dem Konzept vor zehn Jahren die Obdachlosigkeit beendet", berichtete Hammer. Auf denselben Effekt hofft sie längerfristig auch in Österreich.

Erste Schlüsselübergabe

Nun laufen die Vorgespräche zu den 240 Wohnungen, die ein Schritt in diese Richtung sein sollen. "Ob alle Wohnungen bereits reserviert sind, weiß ich aber nicht", so Gemeinnützigen-Chef Rießland. Wo die erste Schlüsselübergabe stattfindet, steht derzeit auch noch nicht fest: "Aber ich freue mich auf den Wettlauf zwischen den Bundesländern", sagt Hammer.

Für Mückstein sind Projekte wie "Zuhause ankommen" nun "Feuerlöscher". Man werde langfristig aber auch über andere Maßnahmen – Pensionsanpassungen und Arbeitslosengeld, bei dem es "auf keinen Fall zu einer Absenkung kommen darf", zum Beispiel – reden müssen. (Franziska Zoidl, 19.8.2021)