Hilfe, ich habe eine gute Idee! Was mach ich nun damit? – Einige kennen das. Spätnachts, kurz vor dem Einschlafen, schießt einem plötzlich die bahnbrechende Idee in den Kopf, auf die die Welt gewartet hat. Aufschreiben schadet da nie, vermutlich gingen bereits allzu viele Ideen in der Nachtruhe verloren.

Noch mehr wurden – und dies teils zu Recht – tags darauf wieder verworfen. Wenn sich aber ein Einfall auch nach zwei oder drei Nächten noch plausibel und gut anhört und einem bewusst ist, welche Mammutaufgabe sich darin verbirgt, ist es womöglich wirklich lohnenswert, die Idee zu verfolgen.

Der plötzliche Geistesblitz, der zum Millionenimperium wird, ist aber nicht der Regelfall, sagt Markus Raunig, Vorstandsvorsitzender von Austrian Startups. Neue Geschäftsideen kommen selten aus dem Nichts.

Der Weg zur Idee

Die geniale Start-up-Idee entsteht viel eher durch eine strategische Herangehensweise an bestehende Probleme. Wenn etwa Lösungen gesucht werden für Dinge, die einen selbst, gute Freunde oder Bekannte im Alltag so furchtbar ärgern, dass man es einfach nicht länger hinnehmen will, weil sie dermaßen ineffizient oder unpraktisch sind, dass sie einem nicht mehr aus dem Kopf gehen.

Wo wie viel gegründet wurde?
Grafik: Fatih Aydogdu, Quelle: Statista

Diese kleinen oder großen Ärgernisse würden oft die besten Startpunkte für ein möglicherweise erfolgreiches Start-up darstellen, sagt Raunig – ähnlich wie faule Menschen sich oft kreative Abkürzungen für langwierige Probleme suchen. Sie sind aber vor allem eines: Startpunkte. Denn die eigentliche Arbeit geht dann freilich erst so richtig los. Und so viel sei vorausgeschickt: Das eine Erfolgsrezept für das boomende Start-up gibt es nicht! Dennoch gibt es einige Tipps, die die Chancen erhöhen können.

Darüber sprechen

Viele potenzielle Gründerinnen und Gründer eines Start-ups scheitern an ihrer Geheimniskrämerei. Aus Angst, dass einem die große Idee sofort geklaut wird, üben sich viele zu lange in Stillschweigen und kassieren deshalb zu wenig konstruktives Feedback aus ihrem direkten Umfeld.

Wie viele dürfen's sein? 1, 2 oder 3?
Grafik: Fatih Aydogdu, Quelle: Statista

Die Angst vor dem Ideenklau sei aber meist unbegründet, sagt Hannah Wundsam, Geschäftsführerin von Austrian Startups. Ist eine Idee nach einer zweiminütigen Präsentation vor einen Bekannten nämlich vollumfänglich zu kopieren, sei es vielleicht ohnehin besser, sie nochmals zu überdenken. Einfach weil sie zu simpel ist oder möglicherweise schon existiert, so Wundsam.

Das offene Sprechen über ein Projekt kann es oft auch erst realer, greifbarer werden lassen, wenngleich natürlich auch ein wenig die Erwartungshaltung bei jenen steigt, denen man vom Projekt erzählt. Damit muss man umgehen können.

Wie viel Geld, wie schnell?

Wir müssen natürlich auch übers Geld reden. Die meisten guten Ideen sollten irgendwann nämlich mehr Geld hereinspielen, als sie verschlingen. Vielfach ist das ja auch der ureigene Wunsch einer Gründung – es sei denn, es handelt sich um eine wohltätige Idee, die von staatlicher Seite und öffentlichen Subventionen am Leben erhalten wird.

Dementgegen, was manche Start-up-Show suggeriert, muss eine Idee aber nicht zwangsläufig von einem externen Investor mitfinanziert werden, sagt Wundsam. Neben zahlreichen öffentlichen Fördertöpfen, die sich anzapfen lassen, greifen viele Gründerinnen immer wieder auf die Mittel von Freunden und Familie zurück. Erste stark vereinfachte Versionen eines Prototyps, kleine Experimente oder Interviews können dabei helfen, ein Produkt vorsichtig im Markt zu testen, und oft schon mit geringen Eigenmitteln realisiert werden. Dies sollte laut Wundsam möglichst früh geschehen, um ein Gefühl für den Anklang des Produkts zu bekommen und erste Erfahrungswerte zu sammeln.

Weniger, aber immer noch viel Software-Start-ups.
Grafik: Fatih Aydogdu, Quelle: Statista

Hole ich wen an Bord?

Auch die Möglichkeit eines Kredits kann und soll nicht zu schnell ausgeschlossen werden, sei vor allem aber dann schlau, wenn das Businessmodell darauf ausgelegt sei, dass früh wieder Geld hereinkommt. Ist das nicht der Fall, oder verschlingt der Bau eines etwaigen Prototyps vielleicht schon so große Summen, dass man sich hoch verschulden müsste, könnten sogenannte Business-Angels helfen.

Das sind Privatpersonen mit prall gefüllten Taschen, die früh in Unternehmen einsteigen, um später lukrativ wieder auszusteigen. Im besten Fall verstehen sie ihre Investorenrolle auch als Mentoring und begleiten Gründerinnen und Gründer auf den ersten schwierigen Kilometern mit Rat und Tat oder ihren guten Kontakten in der Szene.

Kontakte schaden nie

Manche Investoren bestehen vor einem etwaigen Einstieg in ein Unternehmen auf einen fertig ausformulierten Businessplan. Mitunter könne der bei brandaktuellen Ideen aber auch eine unnötige Zeitverschwendung sein, und es reichen einige kurze Erklärungen zu möglichen nächsten Schritten und Zielen, sagt Raunig. Das muss jedoch im Einzelfall eruiert werden. Einige Kennzahlen und Prognosen zu seinem Unternehmen sollte man jedoch stets in petto haben.

Woran hakt es?
Grafik: Fatih Aydogdu, Quelle: Statista

Die Anlaufstellen für Investments in Österreich haben jedenfalls die für die Szene typischen englischen Namen, wie die Austrian Angel Investors Association (aaia) oder die Austrian Private Equity and Venture Capital Organisation (AVCO). Auch bei regelmäßigen Austauschtreffen der Szene oder den zahlreichen Beratungsangeboten der Wirtschaftskammer Österreich kann man sich viele gute Tipps eholen und mit etwaigen Investoren vernetzen.

Was ist die Geheimzutat?

Eines sollten Jungunternehmerinnen und Gründer jedenfalls beherzigen. Wenngleich man das Feedback von Business-Angels oder Freunden selbstverständlich ernst nehmen und auch berücksichtigen sollte, so darf man sich anfangs auch nicht zu schnell von bestimmten Ideen abbringen lassen.

Raunig umschreibt dies mit einer Art Geheimzutat. Das kann auch eine persönliche Erkenntnis oder Überzeugung sein, die nicht unbedingt der Mainstream-Meinung entspricht – und dadurch als Basis für neue Lösungswege dient. Glaubt man, diese gefunden zu haben, ist es durchaus möglich, dass andere die geniale Idee nicht sofort sehen oder verstehen. Wenn man selbst überzeugt ist, lohnt es sich oft, Dinge auszuprobieren. Aber aufgepasst: "Man sollte sich nie in seine Idee verlieben", warnt Raunig. Das mache blind für tatsächliche Defizite und Mankos eines Konzepts oder einer Lösung. Es ist schließlich gut möglich, dass die Geheimzutat doch nicht das Wundermittel ist.

Männerdomäne Start-up-Gründung?
Grafik: Fatih Aydogdu, Quelle: Statista

Raunig plädiert außerdem dafür, sich nicht vom Drumherum in der Start-up-Szene ablenken zu lassen. Der Fokus müsse stets darauf liegen, ein bestmögliches Produkt zu erschaffen. Dann würde sich viel vom notwendigen Rest fast von allein ergeben. Prototypen und Piloten müssen stets verbessert und adaptiert werden. Dasselbe gilt für Ideen, Konzepte und Businesspläne. Zusammenfassend könnte man sagen, es gehe stets darum, zwei Fragen beantworten zu können: Warum du oder ihr und warum genau jetzt?

Nie ohne mein Team

Auch wenn rund 32.000 Personen jährlich in Österreich den Schritt in die Selbstständigkeit wagen, sind erfolgreiche Start-ups selten das Werk von Einzelnen. Nur 17,5 Prozent aller Start-ups werden von Einzelkämpferinnen und Einzelkämpfern geführt.

Edition Zukunft. Mit vielen Geschichten über das Leben und die Welt von morgen.
Grafik: Fatih Aydogdu

Ein gutes Team, das bereit ist, viel Zeit und Arbeit in das Projekt zu stecken, das Risiko und die psychologische Last zu teilen und in den entscheidenden Momenten klipp und klar die Meinung zu sagen, ist für viele unerlässlich. Laut Raunig bestehen viele der Start-ups bei ihrem ersten Anlauf aus einem Hacker, einem Hipster und einem Hustler. "Der Hacker bringt technische Expertise mit und kann Produkte bauen, der Hipster sorgt für die kreative Energie und kümmert sich um Produktdesign und Branding, während der Hustler die wirtschaftliche Seite abdeckt und versteht, wie er das Produkt und die Vision dahinter verkaufen kann." Aber auch hier gibt es freilich kein Patentrezept für die erfolgreiche Zusammenstellung der eigenen Mannschaft.

Scheitern ist okay

Denn gründen kann und wird von Fall zu Fall anders aussehen und oft auch in die Hose gehen. Der Erfolg vieler erfolgreicher Gründer stellte sich erst beim dritten, siebenten oder fünfundzwanzigsten Produkt ein. Immerhin sieben von zehn Unternehmensneugründungen in Österreich sind aber auch nach fünf Jahren noch aktiv. Viele umgesetzte Pläne und aktive Start-ups unterscheiden sich aber dann eklatant von ihrer ursprünglichen Idee. (TEXT: Fabian Sommavilla, GRAFIKEN: Fatih Aydogdu, 21.8.2021)