Lorde befindet sich mit ihrem dritten Album "Solar Power" auf einem musikalischen Hippie-Trail

Foto: Universal Music / Ophelia Mikkelson Jones

Zuerst klingt der Opener (The Path) des neuen Lorde-Albums nach House of The Rising Sun, alsbald gesellen sich zur Gitarre liebliche Querflöten, und spätestens wenn die Neuseeländerin zweistimmig mit sich selbst zu singen beginnt, weiß man: "This is the dawning of the age of Aquarius." Lorde befindet sich mit ihrem dritten Album Solar Power auf einem musikalischen Hippie-Trail, ihre Zeitreise führt die 24-Jährige zurück in die Sechziger. Das überrascht durchaus.

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Zwar war Ella Marija Lani Yelich-O’Connor, wie Lorde bürgerlich heißt, seit ihrem Durchbruch mit der Nummer Royals immer ein ungewöhnlicher Popstar, doch war sie auf ihre verschrobene Art dem Pathos einer Kate Bush verpflichtet. Auf ihrem zweiten Studioalbum Melodrama aus dem Jahr 2017 unterlief und übertraf sie die Erwartungen gleichermaßen: Denn man hatte angenommen, dass Lorde ihr definitiv vorhandenes Gespür für den großen Hit schärfen und eher Richtung Mainstream gehen würde.

Doch waren auch die großen Nummern auf Melodrama wie Green Light oder Homemade Dynamite zu komplex gestrickt, um kurze Aufmerksamkeitsspannen zu bedienen. Die Fans hatten etwas anderes erwartet und straften Lorde mit Fernbleiben: Ihre Stadiontourneen waren nicht immer ausverkauft. Die Kritiker dagegen hielten Melodrama für eines der besten Alben des Jahrzehnts.

Klar war jedenfalls damals schon, dass Lorde die Charts ein bisserl wurscht sind, auch auf sozialen Medien treibt sie sich nur nach Lust und Laune herum und verbringt lieber Zeit mit Freunden und Familie in der Heimat.

Barfüßig und geerdet

Für die Tour zu ihrem neuen Album Solar Power hat sich Lorde nun ganz bewusst entschieden, nur noch in Venues zu spielen, in die maximal 5000 Leute reinpassen, also quasi bessere Wohnzimmerkonzerte. Stimmungstechnisch sicher die richtige Wahl für ein hübsch dahinplätscherndes Album, das Bongos den Beats aus dem Drumcomputer vorzieht und warm und organisch simon-and-garfunkelt (Anspieltipp: Leader of a New Regime).

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Lorde lässt die Partys, Models und Oberflächlichkeiten in Hollywood und erteilt – in Anspielung auf den The-Mamas-and-the-Papas-Hit California Dreamin’ – den kalifornischen Träumen nur eine Absage: "Don’t want that California love / (Hmm) It’s just a dream".

Auf dem balladenreichen Solar Power befindet sich kein einziger Hit, nichts für die Charts. Damit lässt sich das Album durchaus in eine Reihe mit den letzten Veröffentlichungen von Lana Del Rey und Taylor Swift – beide arbeiten wie Lorde mit Jack Antonoff als Koproduzent – stellen. Allen Damen scheint es wichtig gewesen zu sein, mit der Gitarre in der Hand, barfüßig und geerdet das Tempo rauszunehmen und Alben mit einem roten Faden zu machen, die diesen Namen tatsächlich verdienen, und nicht nur eine Sammlung von Singles sind. In Lordes Fall dürften auch ein paar Joints (Stoned at The Nail Salon) dabei geholfen haben, die früher dominierende Teenageangst zu überwindern.

Late Night with Seth Meyers

Nur die zarte Melancholie erinnert noch an die Lorde von früher, wunderschöne Textzeilen kann sie auch noch immer schreiben. Hören werden sie halt deutlich weniger Leute. Aber das wollte Lorde ja so. (Amira Ben Saoud, 20.8.2021)