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Bauxit dient der Aluminiumherstellung. Übrig bleibt eine Natronlauge, vermischt mit Eisenoxid und Schwermetallen.

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Als am 4. Oktober 2010 ein Deponiebecken des Industriebetriebs Magyar Aluminium brach, wälzte sich eine meterhohe, hochbasische Rotschlammflut über die westungarischen Dörfer Kolontar und Devecser. Zehn Menschen starben, 200 weitere wurden verletzt. Der giftige Schlamm verseuchte ein Gebiet von rund 40 Quadratkilometern und hinterließ eine Spur der Verwüstung.

Die Katastrophe von Kolontar veränderte nicht nur das Leben vieler Menschen – sie warf auch ein Schlaglicht auf die Umweltgefahren, die mit der Produktion von Aluminium verbunden sind. Bei der industriellen Herstellung des Metalls wird Bauxit verwendet, ein Erz, das hauptsächlich aus Aluminiumoxid und Eisenoxid besteht. Mithilfe des sogenannten Bayer-Verfahrens wird aus dem Rohstoff das Aluminiumoxid herausgelöst und anschließend weiterverarbeitet.

Tonnen an Bauxit

Übrig bleibt eine Natronlauge, vermischt mit Eisenoxid und Schwermetallen wie Arsen, Blei, Chrom oder Quecksilber – der sogenannte Rotschlamm. Wie viel Abfall dabei je produzierter Tonne anfällt, hängt von der Zusammensetzung des Rohmaterials ab. Im Schnitt werden für eine Tonne Metall zwischen zwei und drei Tonnen Bauxit benötigt.

Weltweit wird etwa 95 Prozent des neuen Aluminiums mithilfe des Bayer-Verfahrens erzeugt. Schätzungen zufolge fallen jährlich rund 150 Millionen Tonnen Rotschlamm an – nicht aber in Österreich: Hierzulande wird kein Primäraluminium erzeugt, auch relevante Deponien gibt es nicht. Aufgrund der großen Nachfrage wird das Metall allerdings zur Weiterverarbeitung nach Österreich importiert – und die mit der Herstellung verbundenen Umweltprobleme auf andere Weltregionen wie Osteuropa, China oder Brasilien ausgelagert.

Gefahr für die Umwelt

Gefahr geht vom Rotschlamm zunächst von der darin enthaltenden hochbasischen Natronlauge aus. Dazu kommt der hohe Gehalt an giftigen Schwermetallen und die schlammige Konsistenz, erklärt Roland Pomberger, Professor für Abfallverwertungstechnik an der Universität Leoben. All das mache die Endlagerung schwierig.

Früher wurden die Schlämme teilweise in Teiche, Flüsse oder ins Meer geleitet. Bedenken gegen diese Form der Entsorgung führten dazu, dass die Bauxit-Abfälle seit den 1980er-Jahren in abgedichteten Deponien gelagert werden. Das ist – international gesehen – auch heute noch die gängige Form der Entsorgung", sagt Pomberger.

"Der Schlamm wird in große künstliche Becken gepumpt. Dann hofft man, dass das Wasser verdampft und sich das Material verdichtet. Das gelingt aber oft nur bis zu einem gewissen Grad, die Konsistenz bleibt." Dass Deponien nach wie vor die häufigste Methode der Abfallentsorgung sind, liegt schlicht daran, dass sie günstig sind. Es gibt zwar Alternativen, wirtschaftlich sinnvoll ist allerdings kaum eine.

Hohe Kosten

"Eine Möglichkeit ist es, die Schlammeigenschaft ganz loszuwerden und das Material so weit wie möglich zu verfestigen", erläutert Pomberger. In der Praxis spiele das aufgrund der hohen Kosten allerdings kaum eine Rolle.

Auch die Wiederverwertung der Bauxit-Abfälle kommt infrage, erwies sich aber als zu aufwendig und nicht rentabel. So hat man versucht die Hauptbestandteile, darunter vor allem Eisen, aus dem Material herauszulösen und aufzubereiten. Abgesehen davon könnte Rotschlamm als Rohstoff für die Herstellung von Zement oder Ziegeln oder als Füllmaterial im Straßenbau dienen.

Kein Stein der Weisen

Laut Pomberger sind die Abfallmengen für eine vernünftige Kreislaufwirtschaft zu groß. "Es bräuchte ein Verfahren, bei dem das rückgewonnene Material wieder in ein Massenprodukt fließt." Derzeit gebe es dazu eine Reihe von Forschungsaktivitäten. "Den Stein der Weisen hat man aber noch nicht gefunden."

Aktuell fördert die EU-Kommission mehrere Projekte, die sich mit der Verwertung von Bauxit-Abfällen beschäftigen. Auch in Österreich gab es Versuche. So stellte etwa ein Forscherteam des Austrian Institute of Technology (AIT) fest, dass sich Rotschlamm dafür eignet, stark verseuchten Boden zu stabilisieren. Durch Zugabe des Abfallmaterials können Schwermetalle im Erdreich "immobilisert" werden. Damit werden sie nicht mehr ins Grundwasser gewaschen und von Pflanzen aufgenommen. Die Methode ist in der Praxis allerdings nur sehr eingeschränkt anwendbar.

Mehr Recyceln

Das Wichtigste wäre, möglichst viel Aluminium zu recyceln. Das hat extreme Vorteile", sagt Pomberger. "Man spart dadurch unglaublich viel Energie." Wenn man Schrott aufbereite, brauche man um 95 bis 97 Prozent weniger Strom als bei der Erzeugung von neuem Metall. Damit wären massive CO2-Einsparungen verbunden, und der problematische Rotschlamm entstehe erst gar nicht.

Die Katastrophe im ungarischen Kolontar dürfte zumindest in Europa für Bewusstseinsbildung gesorgt haben, glaubt Pomberger. Vor allem bei der Kontrolle und Wartung der Dämme sei man sensibilisiert worden. "Das Problem ist aber, dass die Deponien von Unternehmen für die Ewigkeit angelegt werden. Irgendwann gibt es die Unternehmen aber nicht mehr. Dann wird das eine Aufgabe der Allgemeinheit." (Jakob Pfügl, 20.8.2021)