Weil der VOR noch nicht dabei ist, gilt das Klimaticket nicht als Fahrschein in der Schnellbahn in der Ostregion. Aber des Zuges verwiesen wird deshalb wohl niemand werden.

Foto: Robert Newald

Wien – Unter den Jubel über das Klimaticket ab 26. Oktober mischte sich am Donnerstag auch Verwirrung. Besorgte ÖBB-Jahreskartenbesitzer fürchteten, beim fliegenden Wechsel zum Klimaticket auf den Kosten der noch nicht konsumierten Monate sitzenzubleiben. Aber die Angst ist unbegründet. Wer von seiner ÖBB-Österreich-Card am 26. Oktober auf das Klimaticket umsteigt, bekommt das Geld für die Restlaufzeit auf das Klimaticket gutgeschrieben, stellte die ÖBB klar.

Bei einem halben Jahr Restlaufzeit steigen Umsteigewillige in etwa pari aus, denn die Ö-Card Classic kostet 1944 Euro, das Klimaticket dank Startrabatt nur 949 Euro. Nicht refundiert werden die Kosten der ÖBB-Vorteilscard, die mit dem österreichweiten Klimaticket de facto überflüssig wird.

Viele Fragen

Viele Fragen wirft der Start des bundesweiten Rumpf-Klimatickets in sechs Bundesländern bei Pendlern in der Ostregion auf. Insbesondere die Ankündigung, dass die Benützung der Schnellbahn, also Nah- und Regionalzüge in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland, im bundesweiten Klimaticket inkludiert sei, sorgt für Verwirrung. Einzig die Linienbusse im Verkehrsverbund Ost-Region (VOR) könnten bis zu einer Einigung mit dem VOR nicht benützt werden, hieß es.

So klar ist das mit der Schnellbahn allerdings nicht. Wohl sicherte die ÖBB eilfertig zu, dass die neue von ÖBB-Eigentümervertreterin Leonore Gewessler (Grüne) verordnete Netzkarte für alle Öffis um 1095 Euro pro Jahr (im Oktober kostet sie nur 949 Euro) auf jeden Fall in der Wiener Schnellbahn akzeptiert werde.

VOR auf der Bremse

Der Besteller der ÖBB-Nah- und -Regionalzüge, der VOR, steht da allerdings auf der Bremse. Die Benützung sei durch den Verkehrsdienstvertrag zwischen VOR und ÖBB nicht gedeckt, lautete der Konter aus Wien und St. Pölten. Denn der Bund habe keine Tarifhoheit im VOR, könne Preise also nicht nach Belieben senken oder anheben. Das gilt übrigens auch für die Wiener Lokalbahnen ("Badner Bahn"), Raaberbahn und Mariazellerbahn, die ebenfalls beim VOR unter Vertrag sind.

Der Hintergrund ist kompliziert – wie fast alles im Nahverkehr. Denn für den Öffi-Benutzer ist nicht erkennbar (und im Prinzip auch irrelevant), welche Zugverbindung der Bund im Rahmen des Grundangebots bei der ÖBB bestellt – und welche Regionalzüge der VOR in seinem Verkehrsdienstvertrag darüber hinaus bei der ÖBB bestellt, um einen Taktverkehr zu erreichen. In diesem Spannungsfeld bewegt sich die mit dem Klimaticket Now für sechs Bundesländer initiierte Teillösung ab 26. Oktober.

Nur bundesweite Verbindungen

Im Klimaticketgesetz, auf das sich das Ministerium bei der Freigabe der Schnellbahnzüge in Wien und Niederösterreich beruft, ist klar geregelt, dass das Ministerium Bestimmungen über Geltungsbereich, Kundengruppen und Tarife nur für das bundesweite Klimaticket per Verordnung erlassen kann – und für die ÖBB, mit der eigens ein Fernverkehr-Verkehrsdienstvertrag (bis 2029) geschlossen wurde.

Für Verkehrsverbünde, Gebietskörperschaften und Stadtwerke (z. B. Wiener Linien) hingegen hat der Bund keine Tarifkompetenz, er muss das mit Verträgen regeln – wie in sechs Bundesländern bereits erfolgt. Tarifangelegenheiten sind "im Einvernehmen" zu regeln. So steht es in den Verkehrsdienstverträgen mit den Bundesländern, und deshalb gibt es mit sechs Bundesländern ebensolche Verträge.

Es braucht Einvernehmen

Genau dieses Einvernehmen fehlt mit dem VOR, der mit mehr als der Hälfte der Pendler in Österreich größten Region. "Noch", wie betont wird. Die Botschaft der Verkehrsministerin sei angekommen, es werde sicher noch heuer eine Lösung geben, üben sich VOR-Eigentümervertreter in Zuversicht. Aus dem Regionalzug hinauswerfen werde man Klimaticket-Nutzer nicht, wird versichert.

"Fleckerlteppich"

Als freundlicher Akt wird insbesondere der Rabatt nicht gewertet. Entsprechend saftig fiel die Reaktion des Wiener Finanzstadtrats Peter Hanke (SPÖ) auf die Einführung des Rumpf-Klimatickets aus: "Ein sogenanntes österreichweites Ticket ohne Einbindung des größten Verkehrsverbundes, der für über 60 Prozent der österreichweiten Fahrgäste steht, kann nicht im Sinne des öffentlichen Verkehrs sein und ist de facto kein österreichweites Ticket, sondern ein 'Fleckerlteppich'-Ticket. Das ist so, als würde die Wiener Jahreskarte nicht in Floridsdorf, Ottakring, und Meidling gelten."

Gewessler verteidigte sich am Donnerstagabend in der "ZiB2". Das Österreich-Ticket sei seit 15 Jahren in Regierungsprogrammen gestanden. "Viele Politiker und Politikerinnen haben das versprochen. Ich wollte jetzt nicht mehr länger warten." Ziel sei es, mit den den drei östlichen Bundesländern konstruktiv weiterzuverhandeln.

ORF

Klar ist: Einfacher werden die Verhandlungen durch die eilige Einführung des "Klimaticket Now" nicht. Denn der Frühbucherbonus, der das bundesweite Klimaticket auf 949 Euro verbilligt (bei Kauf bis 25. Oktober), bringt die Kalkulationen aufs Neue durcheinander. Der Unterschied zu Regionaltickets, die der VOR einführen will, wird dadurch (noch) kleiner, und damit deren Attraktivität.

Ab Dezember vier Zonen im Osten?

Eine Einigung über den Zuschuss des Bundes vorausgesetzt, will der VOR ab Fahrplanwechsel im Dezember mit vier Zonen unterwegs sein: Wien um 365 Euro, Niederösterreich/Burgenland um 550 Euro und alle drei Bundesländer um 900 Euro. Beim Drei-Bundesländer-Ticket ist der Unterschied zum verbilligten Klimaticket um 949 Euro marginal, es dürfte im Jahr des Starts die Abwanderung zum bundesweiten Ticket beschleunigen.

Ein etwas komplizierteres Stufenmodell hat übrigens auch Oberösterreich: Für 365 Euro gibt es OÖ Regional (ohne Linz, Wels, Steyr) und um 695 Euro das "Klimaticket OÖ" für ganz Oberösterreich. Dazwischen sind Regional + Linz (621 Euro) und Regional-Wels oder Regional-Steyr um je 604 Euro. (Luise Ungerboeck, 20.8.2021)